"Ich habe ihm gesagt, dass er den Fall mit allen Hintermännern und Drahtziehern aufklären soll, um seine persönliche Zukunft zu retten. Im Radsport wird er keine Zukunft mehr haben." Michael Holczer, bis vor kurzem Chef des Rad-Rennstalls Gerolsteiner, ist in diesen Tagen Kummer gewöhnt. Doch der Anruf, den er gestern kurz nach 18 Uhr bekam, gab ihm den Rest.

Wie bei Schumacher. Am anderen Ende der Leitung war Bernhard Kohl, der ihm gestand, dass er soeben vom Geschäftsführer der österreichischen Anti-Dopingagentur (Nada), Andreas Schwab, einen Brief überreicht bekommen habe. Aus Frankreich. Inhalt: Bei Kohl hatte die neuerliche Überprüfung von Doping-Proben bei der Tour de France ein positives Ergebnis. Wie bei seinem Zimmer- und Teamkollegen Stefan Schumacher wurde auch beim Gesamt-Dritten und Bergkönig der heurigen Tour das Mittel CERA, ein Epo-Präparat der dritten Generation, festgestellt.

Keiner Schuld bewusst. Für den Radsport der nächste Tiefschlag, für Österreichs Radsport vielleicht sogar "der Super-GAU", wie es Bernhard Eisel in einer ersten Reaktion beurteilte. Eine Reaktion, die von Bernhard Kohl nicht zu erhalten war. Der 26-jährige Wolkersdorfer, der in Interviews immer vehement als Doping-Gegner aufgetreten war ("Doping ist Betrug, bei mir war die Versuchung nie da!"), ging in Klagenfurt auf Tauchstation, war nicht zu erreichen. "Er war sehr enttäuscht, hat es nicht verstanden. Und er kann sich nicht erklären, wie das passiert sein soll, ist sich keiner Schuld bewusst", sagte Schwab. Ein Verhalten, das leider zu bekannt ist und eine Ausrede, die zu oft gehört wurde.

Zwei Mal positiv. Schwab bestätigte: "Es gab zwei positive Doping-Proben, eine am 3. und eine am 15. Juli. Wir wurden aus Frankreich schon vor einiger Zeit informiert." Und auch, wenn Schwab betont, dass die Unschuldsvermutung gültig ist, sieht wohl auch er wenig Hoffnung, dass das Ergebnis noch korrigiert werden könnte. "Ich bin sehr enttäuscht, das rückt seine Leistung in ein ganz anderes Licht. Aber andererseits bin ich erfreut, weil die Analysen offensichtlich wirklich so gut sind, dass sie auch Dinge ans Licht bringen, mit denen man vorher nicht gerechnet hat."

Klagen. Kohl erwarten nun Klagen von Ex-Teamchef Holczer, der sich "auf Punkt und Beistrich und auf jeden Cent" vor Gericht schadlos halten will, wie auch bei Schumacher. Neben dem "normalen" Verfahren vor der österreichischen Rechtskommission, die, im Falle seiner Schuld, eine Zweijahres-Sperre vorsieht. Das ist fix. Was der Ex-Held, der den Radsport aus dem Doping-Tief führen sollte, dem Sport angetan hat, steht dagegen in den Sternen.