Die Tour of Austria ist am Sonntag mit einer Kondolenzfahrt für den tödlich verunglückten Norweger André Drege traurig zu Ende gegangen. Auf Wunsch der Familie und des Teams des 25-Jährigen wurde das Rennen mit einer neutralisierten Kurzetappe fortgesetzt. Im Tross der Rundfahrt herrschte am Tag nach dem tragischen Unfall tiefe Betroffenheit. Im verregneten Startort Kufstein flossen nicht nur bei einer emotionalen Rede von Tour-Direktor Thomas Pupp viele Tränen.

Die Ergebnisliste war am Tag nach dem Schicksalsschlag nur eine Randnotiz. Durch die neutralisierte Fahrt ging der Gesamtsieg an den seit Freitag voranliegenden Italiener Diego Ulissi. Sein österreichischer UAE-Teamkollege Felix Großschartner beendete die vom folgenschweren Sturz des Norwegers am Samstag in der Abfahrt vom Großglockner überschattete Rundfahrt auf Platz vier.

Sportliche steht im Hintergrund

Auch Großschartner war am Tag nach der Tragödie schwer mitgenommen. „Es ist wirklich schlimm. Das zeigt uns wieder, dass das Sportliche in Wirklichkeit im Hintergrund steht. Das Wichtigste ist, dass man gesund ins Ziel kommt und am Sonntag nach dem Rennen heimkommt und froh sein kann, dass man mit der Familie aufwacht“, sagte Großschartner und drückte den Angehörigen sein Beileid aus.

Vor dem symbolischen Start in Kufstein wurde eine Trauerminute abgehalten, die Teammitglieder des Norwegers fuhren allesamt mit dessen Startnummer am Rad unter Beifall als Erste los. Danach ging es mit den Fahrzeugen nach Tulfes, von wo aus die Gedenkfahrt am Nachmittag über zehn Kilometer nach Innsbruck-Igls am Fuße des Patscherkofels führte. „Ich denke, dass die Gedenkfahrt eine schöne Idee ist. So kann man das vielleicht gemeinsam verarbeiten. Das Rennen weiterzufahren, wäre für mich unmöglich gewesen“, sagte Großschartner.

Tour-Direktor Pupp hielt vor Dreges Teamkollegen und Betreuern eine ergreifende Trauerrede und rief zur Geschlossenheit auf. „Unser gesamtes Team ist erschüttert über diesen tragischen Unfall und unsere Gedanken und Gebete sind bei Andrés Familie, seinen Angehörigen und seinem Team Coop-Repsol in dieser unglaublich schweren Zeit“, so Pupp. Die Gedenkfahrt sei der ausdrückliche Wunsch von Andrés Vater, seinen Teamkollegen und seinem gesamten Team gewesen. „Diesem Wunsch kommen wir natürlich gerne nach. Es wird eine Kondolenzfahrt für Andre, für seine Familie, für seine Freunde, für alle Teams und alle Teilnehmer der Tour. Sie gibt der gesamten Radfamilie die Möglichkeit, das Geschehene gemeinsam zu verarbeiten und André zu gedenken.“

Dreges Eltern flogen kurzfristig aus Norwegen ein und erlebten die letzten Meter der Gedenkfahrt an der Talstation der Patscherkofelbahn mit. Umarmungen und Gespräche mit Teamkollegen des Sohnes folgten. „Andre hätte es so gewollt. Radfahren war alles für ihn, seine große Passion. Trotz dieser Tragödie ist es gut zu sehen, dass die Radcommunity zusammensteht“, sagte der Vater von André Drege in einer kurzen Rede.

Gleichzeitig liefen die routinemäßigen Ermittlungen der Polizei zur Klärung der Unglücksursache weiter. Unter den als Unfallzeugen befragten Profis war der Slowene Jaka Primožič aus dem oberösterreichischen Team Hrinkow. Er hatte sich zum Zeitpunkt des Sturzes in unmittelbarer Nähe von Drege befunden. „Andre und ich sind mit wirklich hoher Geschwindigkeit gefahren, es herrschte auch starker Wind. Er ist ohne ersichtlichen Grund gestürzt. Ich habe es nicht genau gesehen, es ist alles so schnell gegangen“, sagte der Slowene und schilderte weiter: „Es war ein wirklich schrecklicher Sturz mit hoher Geschwindigkeit. Ich habe sofort Hilfe gesucht und in der nächsten Kurve die Polizei über den Sturz informiert.“

Noch keine gesicherten Erkenntnisse

Gesicherte Erkenntnisse über die Ursache des Unfalles in einer Hochgeschwindigkeitspassage auf der Großglocknerhochalpenstraße wurden vorerst nicht bekannt. Die Ermittlungen der Polizei werden noch länger andauern. Die Kondolenzfahrt hielt auch Primožič für eine angemessene Würdigung. „Ich bin froh, dass wir die Fahrt heute für ihn machen und ihm so gedenken. Es ist wirklich furchtbar, wir sind alle erschüttert, das sollte niemandem passieren.“

Die Sicherheitsdiskussion im regelmäßig von schweren Stürzen erschütterten Radsport nahm ein Jahr nach dem Tod von Gino Mäder bei der Tour der Suisse indes wieder an Fahrt auf. Ex-Profi Thomas Rohregger wurde durch den Vorfall an den Tod seines Teamkollegen Wouter Weylandt beim Giro d‘Italia 2011 erinnert. „Das ist gestern wieder hochgekommen, das hängt schon tief drinnen. Es ist einfach brutal und macht schon was mit einem“, sagte Rohregger und empfahl den Teamkollegen und anderen Betroffenen Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Man muss das definitiv psychologisch aufarbeiten, du musst professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.“

Der Druck im Radsport ist hoch“

Für die Unfallzeugen sei es besonders schlimm, so Rohregger. Stürze würden im Radsport aber leider dazugehören. „Das ist einfach so. Das andere ist, wie kann man Stürze und schlimme Stürze vermeiden. Ich habe jetzt auch keine Antwort. Es machen sich viele Leute darüber Gedanken“, sagte Rohregger. Zumeist seien die Stürze eine Verknüpfung unglücklicher Umstände, aber auch die riskante Fahrweise spiele manchmal eine Rolle. „Das eine ist das Schicksal, das andere ist, wie viel Risiko gehe ich ein. Der Druck ist definitiv schon sehr hoch im Radsport“, sagte Rohregger.