Stefan Arvay ist als Sportwissenschaftler im Sportpark Athletik Zentrum Graz tätig. Neben zahlreichen Spitzensportlern aus unterschiedlichen Sparten betreut der Weststeirer auch einige Hobbyathleten im Ausdauerbereich. Das rät der erfahrene Triathlet:

Große Ziele bringen eine Fokussierung mit sich. Eine Fokussierung auf den einen Tag im Oktober, auf die 42,195 Kilometer im Falle des Graz-Marathons. Vieles dreht sich in den letzten Wochen nur nooch darum: Was soll ich noch trainieren? Bin ich genug gelaufen? Wie plane ich die letzten Tage vor dem Rennen, wie ernähre ich mich vor und während des Wettkampfs? Die Spannung steigt mit jedem Tag, als süßsaures Gefühl wird der Gemütszustand oft bezeichnet, einerseits Anspannung, andererseits Vorfreude auf das, was kommt. Und dann ist er da, der große Tag. Das Rennen selbst wird genauso viele Geschichten schreiben, wie es Starter gibt. Super Rennen, Ziel erreicht, Ziel verfehlt, DNF und alles was noch dazwischen liegen kann.

Aber was kommt danach?

Aber was kommt danach? Tatsache ist, dass sowohl der Körper als auch die Psyche (und vielleicht auch die Angehörigen und die Familie) Erholung brauchen. Physisch können die 42 Kilometer – meist auf Asphalt gelaufen – schon Spuren hinterlassen. Es passiert nicht selten, dass man den einen oder anderen Finisher in den Tagen nach dem Bewerb verkehrt die Stiegen runtergehen sieht. Warum? Muskelkater. Kleine Mikrotraumata in der Muskulatur, Schädigungen, die wieder repariert werden müssen, der anlaufende Entzündungsprozess verursacht die Schmerzen, die meist am zweiten und dritten Tag am stärksten sind, danach aber kontinuierlich abklingen. Muskulär sollte man nach einer Woche wiederhergestellt sein, gefährlich oder ungesund ist ein Muskelkater grundsätzlich nicht, den Regenerationsprozess kann man mit aktiven (lockere Belastung am Ergometer oder auch im Wasser) und passiven Maßnahmen (z. B. Massage) unterstützen. Zumindest eine Woche sollte man sich schon für die muskuläre Regeneration gönnen, abhängig vom Trainingszustand, danach kann man wieder mit lockerem Laufen starten, falls man schon wieder Lust dazu hat.

Stefan Arvay
Stefan Arvay © GEPA pictures

Übertreiben sollte man es in den Wochen nach dem Marathon aber vor allem von der Intensität her nicht. Man sollte die mögliche längerfristig eintretende Ermüdung (z. B. auf hormoneller Ebene) nicht unterschätzen, gerade bei höheren Intensitäten geht in den Wochen nach der Extrembelastung oft wenig, deshalb sollte in dieser Zeit vorwiegend wieder im lockeren Grundlagenbereich trainiert werden. In den Tagen nach dem Rennen kann man auch davon ausgehen, dass das Immunsystem anfälliger für Infekte ist. Das stellt einen weiteren Grund dar, sich mit der Regeneration Zeit zu lassen und sich entsprechend zu ernähren und ausreichend zu schlafen.

Drei häufige Gründe unerfüllter Träume

Nehmen Sie sich nach dem Abklingen der ersten Euphorie oder Enttäuschung Zeit, das Rennen zu analysieren und Revue passieren zu lassen. Was hat gut funktioniert, was weniger? Was kann ich das nächste Mal besser machen, was beibehalten? Gerade wenn das Rennen nicht nach Wunsch gelaufen ist, ist eine Analyse hilfreich.

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Haben Sie das Rennen gefinisht, aber nicht in Ihrer Zielzeit, dann kann das natürlich viele Ursachen haben, hier drei der häufigsten Ursachen für unerfüllte Marathonträume.

Vielleicht haben Sie sich Ihr Ziel zu hochgesteckt bzw. sind zu schnell angelaufen, dann kann Ihnen beim nächsten Mal eine Leistungsdiagnostik im Vorfeld helfen, damit kann Ihre mögliche Wettkampfpace bestimmt werden und Sie haben damit einen guten Fahrplan für das Rennen.

Haben Sie muskuläre Probleme, eventuell sogar Krämpfe an einem höheren Tempo gehindert, dann liegt das höchstwahrscheinlich daran, dass Ihre Muskulatur nicht optimal auf die 42 Kilometer vorbereitet war, mit anderen Worten hat Ihnen die muskuläre Kapazität für das angepeilte Tempo noch gefehlt. Für das Training bedeutet das, dass sie allgemein mehr Kilometer, im speziellen mehr muskulär harte (lange) Läufe in Ihre nächste Vorbereitung einbauen sollten.

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Ist das Problem eher auf der energetischen Ebene gelegen, was sich im Rennen durch plötzlichen Leistungsverlust, manchmal Schwindelgefühl, eventuell auch leichten Koordinationsstörungen bemerkbar macht, dann haben Sie sich höchstwahrscheinlich nicht ausreichend mit Energie versorgt. Im Wettkampf selbst kann man darauf reagieren, indem man rasch Kohlenhydrate (Gels, Bananen, Cola) zuführt und das dann auch bei jeder Labestation beibehält, meist kommt der Energieschub danach recht schnell, auch wenn man nicht mehr dasselbe Tempo wie zuvor laufen kann. Im Training für den nächsten Wettkampf sollte man einerseits seinen Fettstoffwechsel optimieren (Grundlagenläufe bei geringer Kohlenhydratverfügbarkeit), um unabhängiger von den Kohlenhydraten zu sein, andererseits sollte man auch die Ernährung im Training testen, damit man den durch die Stresssituation ohnehin strapazierten Magen-Darm-Trakt nicht mit ungewohnter Nahrung bei hoher Intensität überrascht. Auch die Ernährung in den letzten Tagen vor dem Lauf spielt hier eine wichtige Rolle, mit gefüllten Kohlenhydratspeichern werden sie auf jeden Fall eine bessere Zeit laufen können als mit leeren!

Mentale Stärke

Meist ist ein Scheitern oder zumindest Verfehlen seiner Wunschzeit auch eine Kombination von verschiedenen Umständen, was einem aber schon vor dem Start des Marathons klar sein muss: Das 100-prozentig perfekte Rennen gibt es nur ganz selten, meist muss man sich mit ungeplanten Entwicklungen im Wettkampf selbst auseinandersetzten, vor allem wenn es jenseits der 30 Kilometer geht. Und dann kommt es auf Ihre mentale Stärke an. Ärgern Sie sich und beginnen Sie negative Selbstgespräche zu führen (was Ihnen nur unnötig Energie kostet) oder denken Sie an den nächsten Schritt aus der "Krise", ein Gel bei der nächsten Labestation, eine Temporeduktion, um die Krampfansätze in den Griff zu bekommen? Zweiteres ist auf jeden Fall die bessere Wahl, konzentrieren Sie sich auf den nächsten Schritt, den nächsten Kilometer, bleiben Sie positiv, visualisieren Sie den Zieleinlauf (aber bitte nicht schon bei Kilometer 10) und wenn Sie dann die Ziellinie überquert haben, dürfen Sie stolz auf sich sein! Seien Sie mit Ihrer Leistung zufrieden, auch wenn Sie Probleme am Erreichen Ihrer Zielzeit gehindert haben, es war Ihre bestmögliche Leistung an diesem Tag! Und wenn es nicht Ihr letzter Marathon gewesen ist, dann lautet das Motto: Nach dem Marathon ist vor dem Marathon!