Nüchtern betrachtet war es nur ein Unentschieden. Aber das 37:37 der österreichischen Herren bei der Europameisterschaft am Donnerstagabend gegen den Olympia-Zweiten Island könnte so etwas wie die Initialzündung für das größte Handball-Event aller Zeiten in Österreich gewesen sein. Der erste österreichische Punktgewinn der EM-Geschichte war - getreu dem Turniermotto - für den Gastgeber ein erster "Magic Moment".

Österreichs Teamchef Dagur Sigurdsson zeigte sich trotz des Thrillers gegen seine Heimat, in der Handball die Sportart Nummer eins ist, cool. "Ich sehe das Spiel sehr trocken, aber ich bin schon unglaublich stolz, dass wir einen Punkt geholt haben. Klar haben wir auch ein bisschen Glück gehabt, aber wir haben es uns auch verdient", meinte Sigurdsson, der Österreich seit seiner Amtsübernahme vor nicht einmal zwei Jahren scheinbar einige große Schritte weiter gebracht hat.

Ein wenig erinnert die Situation - in weit kleinerem Rahmen - an jene der österreichischen Fußballer bei ihrer Heim-EM 2008. Auch damals hatten Andreas Ivanschitz und Co. das Auftaktspiel (0:1 gegen Kroatien) verloren, und auch damals war ein Remis im zweiten Gruppenmatch (1:1 gegen Polen) durch ein Tor in letzter Sekunde Auslöser zu Begeisterung im Land gewesen.

Ivica Vastic der Handballer

Der Ivica Vastic der Handballer hieß gegen Island Markus Wagesreiter. Der Deutschland-Legionär, eigentlich ein Defensiv-Spezialist, warf mit seinem ersten Turniertreffer vier Sekunden vor dem Ende aus der eigenen Hälfte ins leere Tor der Isländer und erzielte mit dem 37:37 das bisher kurioseste, aber aus ÖHB-Sicht wichtigste Tor des Turniers. "Es war ein unglaubliches Gefühl, das war Freude pur", beschrieb Wagesreiter die Jubelszenen in der mit 5.500 Zuschauern ausverkauften Halle auf der Gugl.

46 Sekunden davor war Österreich noch scheinbar aussichtslos 34:37 zurückgelegen. Doch für Sigurdsson war dies kein Grund zum Aufgeben, der Teamchef ließ seine Spieler ein offensives Pressing spielen und provozierte damit die haarsträubenden Fehler der eigentlich souveränen Isländer. "In solchen Situationen denkt man nicht darüber nach, wie hoch der Rückstand ist. Man versucht Lösungen zu finden und etwas zu bewegen."

Kapitän Viktor Szilagyi, der in der zweiten Spielhälfte hauptverantwortlich für die Aufholjagd war, trauerte sogar dem vergebenen Sieg nach und verkörperte damit das Selbstbewusstsein der Österreicher. "Leider konnten wir nicht alles umsetzen, was Dagur uns mitgegeben hat. Er hätte sich einen Sieg verdient gehabt, denn er hat uns fantastisch eingestellt."

Hoffen auf ein Happy End

Im Gegensatz zu den Fußballern, die das Entscheidungsmatch der EM-Vorrunden-Gruppe gegen Deutschland 0:1 verloren haben, wollen die Handballer am Samstag gegen Serbien ein Happy End erleben, für den Aufstieg in die Hauptrunde genügt ein Remis. "Jetzt liegt es an uns, dass wir die Sache zu Ende bringen", forderte Konrad Wilczynski, der übers Finish gegen Island meinte: "So etwas habe ich im Handball noch nie erlebt. Die Emotionen waren unglaublich, die Unterstützung durch die Fans war Weltklasse."

Bereits eine Runde weiter ist aus der Österreich-Gruppe-B Dänemark, der Titelverteidiger, der zum Auftakt gegen Österreich 33:29 gewonnen hatte, bezwang Serbien 28:23. Neben Dänemark zog am Donnerstag auch Kroatien vorzeitig in die Hauptrunde ein.