Wie schnell sich die Welt in der NFL doch drehen kann: Die vergangene Saison schlossen die 49ers noch als Vierter und damit Letzter in ihrer Division NFC West ab. Heuer stehen die Mannen von Head Coach Kyle Shanahan an der Türschwelle zum Super Bowl LVI. Doch in der Türe steht ein Schwergewicht. In der Nacht von Sonntag auf Montag (Spielbeginn: 0.30 Uhr) werden die LA Rams alles daran setzen, als zweites Team nach den Tampa Bay Buccaneers vergangenes Jahr den Super Bowl „dahoam“ ausrichten zu dürfen. Sie wären somit das erste Team, welches sowohl das Conference Championship-Spiel als auch den Super Bowl daheim spielt.

Vergangene Woche konnten die Rams den amtierenden Champion Tampa Bay um Quarterback Tom Brady ausschalten. Großen Anteil daran hatte vor allem die Defensive Line der Rams, die oftmals wie ein warmes Messer durch die Butter der von Verletzungen geplagten Tampa Offensive Line glitten. Für die 49ers gilt nun den LA-Passrush möglichst zu verlangsamen. Und genau das hat Trainer Shanahan in den letzten beiden Saisonen bereits ausgezeichnet hinbekommen – ihm stehen vier Siege aus ebenso vielen Spielen zu Buche. Erreicht hat er das durch ein noch schnelleres Passspiel als sonst schon. Im Schnitt gab sein Quarterback Jimmy Garappolo der Rams D-Line nur 2,37 Sekunden Zeit, bis er den Ball warf. Übung für zu Hause: Versucht mal in weniger als drei Sekunden an einen 2 Meter großen und 120 kg schweren Mann vorbeizukommen – ist schwierig.

Daher wurde „Jimmy G“ auch nur bei knapp 21% seiner Passversuche unter Druck gesetzt.

Der Grund ist recht schnell gefunden. Mit WR Deebo Samuel und TE George Kittle hat San Francisco zwei Spieler, die ihren Gegner den Stempel mehr als nur aufdrücken, nachdem sie den Ball gefangen und mit ihm zu laufen begonnen haben. Gerade im Zusammenhang mit Samuel kann man wahrlich von einer „Breakout-Saison“ sprechen.

Auf der Kehrseite erntet aber der Quarterback mehr oder weniger genau dafür Kritik. Jimmy Garappolo wird von vielen Seiten nämlich nicht zugetraut, sein Team anzuführen, sondern lasse sein restliches Team viel mehr arbeiten als andere Quarterbacks im Play-off. Kürzliches Beispiel: Gegen die Packers verzeichnete San Francisco nur einen Touchdown – und den erzielte das Special Team nach einem geblockten Punt.

Wenn man sich seine ganze Karriere im Play-off anschaut, findet man folgende Statistik: elf Siege, zwei Niederlagen und zwei Super-Bowl-Siege. Okay, vielleicht wurde da etwas geschummelt und auch die Spiele mit ihm als Reserve-Spieler mitgezählt. Schaut man sich nur seine Spiele als Starter (alle für die 49ers) im Play-off an, bleiben noch vier Siege gegenüber einer Niederlage vor zwei Jahren gegen die Chiefs im Super Bowl. Keine schlechte Statistik, oder? Allerdings schaut sein Anteil daran so aus:

  • 2019 Divisional Round: 11/19 angekommene Pässe, 131 Pass-Yards, 1 TD, 1 Interception
  • 2019 NFC Championship: 6/8, 77 Yds., 0 TD, 0 INT
  • 2019 Super Bowl: 20/31, 219 Yds., 1 TD, 2 INT
  • 2021 Wild Card: 16/25, 172 Yds., 0 TD, 1 INT
  • 2021 Divisional Round: 11/19, 131 Yds., 0 TD, 1 INT

In den fünf Spielen warf er also insgesamt nur 102 Pässe (64 angekommen) für 730 Yards mit zwei Touchdowns bei fünf Interceptions. Zum Vergleich: Rams QB Matthew Stafford warf alleine vergangene Woche gegen die Buccaneers Pässe für 366 Yards (2 TD, 0 INT).

Es gibt wohl kaum einen Quarterback in der NFL-Playoff-Geschichte, der mit so wenig eigener Produktion so viel erreicht hat. Anhänger des aggressiven Passspiels und Quarterback-in-den-Mittelpunkt-Setzer bezeichnen Jimmy G als einen „Game Manager“ eher als einen Dirigenten. Die große Frage, die dann immer aufgeworfen wird, ist, ob Garappolo in der Lage ist, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, wenn die Defensive mal nicht den Gegner stoppen kann. Als bestes Beispiel dafür muss man sich den Super Bowl gegen die Chiefs anschauen. Das war das Playoff-Spiel, indem Garappolo am meisten tun musste. Zum Leid der San Francisco-Fans verpasste er aber die Chance zu glänzen. Unter anderem überwarf er im letzten Quarter einen weit offenen Samuel. Ein erfolgreicher Pass hätte eventuell den Sieg bringen können.

Am Ende zählt aber nichtsdestotrotz nur eines: Siege. Und diese kann Garappolo vorweisen. Wie sagt man so schön „Ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss.“ Am Wochenende und eventuell im Super Bowl wird sich dann herausstellen, wie hoch Garappolo springen kann, wenn es hart auf hart kommt.