Wenn er seine lange, blonde Mähne schüttelt, erinnert Clay Matthews III, muskelbepackter Linebacker der Green Bay Packers, fast ein bisschen an einen antiken Herkules – oder an Chris Hemsworth in den „Thor“-Filmen. Nicht nur aufgrund seiner Haarpracht, sondern auch wegen seiner sportlichen Fähigkeiten ist Matthews – nebst Quarterback Aaron Rodgers – das, was die US-Amerikaner „face of the franchise“ nennen, das Gesicht seines NFL-Klubs nach außen. Auf den 30-Jährigen und seine Defensivkollegen wartet heute im Finale der National Football Conference (NFC, 21.05 Uhr live auf Puls4) auch eine Herkulesaufgabe: Es gilt, die stärkste Offense der NFL zu stoppen, will man am 5. Februar in Houston um den Superbowl-Titel mitspielen. Die Atlanta Falcons um Quarterback Matt Ryan schafften im Schnitt 33,8 Punkte pro Saisonspiel – einsamer Bestwert.
In der dritten Generation
Als sogenannter Pass Rusher hat Abwehr-Hüne Matthews die Aufgabe, „Matty Ice“ Ryan an erfolgreichen Pässen zu hindern – in dem er ihn am besten zu Boden reißt. Clay in den Weg stellen wird sich dabei ausgerechnet sein jüngerer Cousin Jake, der 24-Jährige ist Left Tackle bei den Falcons. Jake Matthews und seine vier Mitstreiter der Offensive Line sind mitverantwortlich für den jüngsten Erfolgslauf der Falken: sie geben Ryan Zeit, etwa den Top-Wide-Receiver Julio Jones mit Bällen zu versorgen oder blocken für das stärkste Running-Back-Duo der Liga, Devonta Freeman und Tevin Coleman.
Was das Treffen von Clay und Jake Matthews auf dem Football-Feld so besonders macht, ist die familiäre Hintergrund: Beide sind, wie ihre Brüder, bereits in dritter Generation professionelle Football-Spieler! Ganz nach dem Motto „Wie der Vater, so der Sohn“ kam Clay II als Linebacker für die Cleveland Browns sowie die Falcons auf 278 Ligaspiele, während Jakes Vater Bruce 19 Jahre lang bei den Houston Oilers (heute Tennessee Titans) auf allen fünf Positionen der Offensive Line agierte: 2007 wurde er als einer der besten Linemen aller Zeiten für diese Konstanz und Vielseitigkeit in die Pro Football Hall of Fame aufgenommen. Großvater Clay I war in 1950er-Jahren schließlich bei den San Francisco 49ers.
Es geht folglich um die Familenehre, wenn Sonntag Abend im letzten NFL-Spiel überhaupt im Georgia Dome die Falcons die Packers empfangen. Es dürfte ein Spektakel mit vielen Touchdowns werden: beste Offense gegen den wohl besten Quarterback der Gegenwart, Aaron Rodgers. Auf dessen „magischen“ Fähigkeiten müssen die Fans der Packers hoffen – und darauf, dass drei ihrer vier besten Wide Receiver trotz Verletzungen mitwirken können.
Kontroverse um Video
Im zweiten Spiel (00.40 Uhr live auf Puls4) gastieren die Pittsburgh Steelers bei den New England Patriots, dem dominierenden Team der American Football Conference (AFC) der vergangenen 15 Jahre: Zum bereits sechsten Mal in Folge hat das Team rund um Superstar Tom Brady das Conference-Endspiel erreicht. Beim Gegner schoss man sich diese Woche selbst etwas ins Knie. Top-Receiver Antonio Brown hatte nach dem mühevollen 18:16-Sieg über die Kansas City Chiefs ein Video auf Facebook gestellt, in dem Steelers-Coach Mike Tomlin in der Umkleidekabine nicht gerade schmeichelhafte Worte über den kommenden Gegner Patriots verliert.
Auch wenn sich Brown mittlerweile entschuldigt hat: Die Kontroverse kam Brady und Co. sicherlich nicht unrecht, weil sie den Fokus voll auf Pittsburgh richtet. Wenn sich jeder mit den Steelers beschäftigt, kann Trainer-Mastermind Bill Belichick in aller Ruhe seine Mannen auf die Begegnung einstellen. Niemand in der Liga kann dem etwas mürrisch wirkenden Kapuzenpulli-Träger in Sachen Gameplan das Wasser reichen, außerdem sind die Pats immer dann besonders motiviert, wenn sich der Rest der (Football-)Welt scheinbar gegen sie verschworen hat.
Die Steelers setzen voll auf die Qualitäten ihrer drei „Großen Bs“: den bulligen Quarterback „Big Ben“ Roethlisberger sowie die beiden wendigen und schnellen Akteure Brown (Wide Receiver) und Le’Veon Bell (Running Back) – sie gehören auf ihren jeweiligen Positionen klar zu den besten Spielern der NFL. Bei der Partie gegen Kansas City allerdings schaffte es Pittsburgh nicht, diese Offensiv-Power auch in Touchdowns umzumünzen, alle 18 Punkte wurden von Kicker Chris Boswell per Field Goal erzielt. Eine solche Ineffizienz werden sich die Steelers im ausverkauften Gillette Stadium sicher nicht leisten können.
Egal, ob New England oder Pittsburgh in die 51. Auflage des Superbowls einziehen, eine außergewöhnliche Serie bleibt stehen: Seit 2004 stand – mit einer Ausnahme (Joe Flacco, Baltimore Ravens, 2013) – auf Seiten der AFC immer ein Quarterback mit dem Nachnamen Brady, Roethlisberger oder Manning im Endspiel.
Stefan Tauscher