Wenn Jan Nepomnjaschtschi und Ding Liren ab Sonntag in Astana um den Schach-Weltmeistertitel spielen, dann lauscht die Schachszene mit großer Vorliebe den Erklärungen einer Frau. Die Ungarin Judit Polgar wird – in bewährter Manier – auf chess24.com Varianten erklären, Fehlgriffe aufzeigen und mit Anekdoten unterhalten.

Und es gibt rein schachhistorisch betrachtet keine Frau, die geeigneter ist. Dass Polgar im Schach herausragend ist, ist kein Zufall – eher Plan. Die Eltern Klara und Laszlo, eine Lehrerin und ein Psychologe, unterrichteten Judit und ihre beiden älteren Schwestern von zu Hause. Der Fokus lag, obwohl die Eltern keine herausragenden Schachspieler waren, auf dem Schachspiel. Die Idee des sogenannten Polgar-Experiments: Begabung ist nicht angeboren, sondern kann anerzogen werden. Die Überzeugung: Die Polgar-Schwestern können Weltklasse-Spielerinnen werden – komme, was wolle. Sechs bis acht Stunden Schachtraining standen täglich auf dem Programm – nach eigens ausgeklügelten Trainingsmethoden. Auch Topspieler hatten ihre Finger im Spiel – unter anderem Bobby Fischer. Mit Erfolg: Zsuzsa, die älteste Schwester, war die erste Großmeisterin der Schachgeschichte und Weltmeisterin von 1996 bis 1999, Sophia war U14-Weltmeisterin.

Spielstärkste Frau der Schachgeschichte

Judit, die Jüngste, gilt als spielstärkste Frau der Schachgeschichte und ist bislang auch die einzige Frau, die in der Weltrangliste jemals unter den zehn besten Schachspielenden der Welt aufgetaucht ist. 132 Schachspielern ist es in der Geschichte gelungen, über 2700 Elo zu erreichen – Judit Polgar ist die einzige Frau. Wenn die 46-Jährige nun von der Weltmeisterschaft berichtet, dann durchaus aus Erfahrung. 2007, als die WM damals in Turnierform ausgetragen wurde, war Polgar im erweiterten Teilnehmerfeld – sie scheiterte jedoch bereits in der ersten Qualifikationsrunde an Jewgeni Barejew. Bei der EM 2011 durfte sie als erste und einzige Frau der Geschichte aber über eine Bronzemedaille jubeln.