Im Ballraum "Quadrille" des Wiener Grand Hotels wird Leichtathletik-Weltverbandspräsident Sebastian Coe am Freitag bekannt geben, ob der seit 13. November 2015 suspendierte Mitgliedsverband Russland wieder zu internationalen Wettkämpfen zugelassen ist. Oder ob die Großmacht bei Olympia in Rio fehlen wird. Das IAAF-Council stützt seine Entscheidungsfindung auf den Bericht einer Task Force.

Der Norweger Rune Andersen war mit seinem Inspektionsteam in Russland, um die Einhaltung der zahlreichen Auflagen zu überprüfen. Der Australier Peter Nicholson überwachte im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) den Wiederaufbau des Anti-Doping-Kontrollsystems im Land, Russland hatte dieser Maßnahme zugestimmt. "Wir haben alles getan, was möglich war", sagte Sportminister Witali Mutko.

Dopingvorwürfe

Nachdem im Dezember 2014 die ARD über systematisches, von den entscheidenden Institutionen gedecktes Doping in Russland berichtet hatte, nahm die WADA umfassende Untersuchungen auf. Die Folge waren die Suspendierung des russischen Verbandes, der Anti-Doping-Agentur (RUSADA) und des Testlabors in Moskau. Russland reagierte auf dem Funktionärs- und Betreuersektor mit Entlassungen und Sperren. Laut einer jüngsten ARD-Dokumentation darf zumindest bezweifelt werden, ob nicht der eine oder andere doch weiterhin tätig ist.

Doping in Russland blieb über all die Monate in den Schlagzeilen, dafür sorgten zahlreiche Meldonium-Fälle rund um Tennis-Ass Maria Scharapowa, positive Proben von Athleten bei den Nachtests der Sommerspiele 2008 und 2012 sowie der Vorwurf der Manipulation von Dopingproben bei den Winterspielen 2014 in Sotschi. Beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) steht die Causa Russland deshalb vor den Rio-Spielen ebenfalls noch auf der Agenda, die WADA will ihren Ermittlungsbericht bis 15. Juli fertig haben. Möglich also, dass die IAAF den Ball am Freitag überhaupt an das IOC weiterspielen wird. In die Leichtathletik-Angelegenheit wollte sich das IOC nicht einmischen, gibt nur den Beobachter.

Bleibt Suspendierung droht Ausschluss

"Das Österreichische Olympische Komitee kämpft gemeinsam mit allen Nationalen Olympischen Komitees, mit Sportfachverbänden und mit dem IOC für einen sauberen Sport. Wir halten generell wenig von einem Boykott oder von Sperren. Aber ob Athleten einzelner Sportarten suspendiert bleiben, das liegt in der Verantwortung der Internationalen Sportverbände", sagte ÖOC-Präsident Karl Stoss. Sollte die Suspendierung nicht aufgehoben werden, dann gelte dieser Ausschluss auch für die Olympischen Spiele.

IOC-Chef Thomas Bach hatte gegenüber dem "Stern" gemeint, russische Leichtathleten komplett von den Spielen auszuschließen, würde bedeuten, dass man saubere Athleten in kollektive Haftung nehme. "Andererseits tragen wir eine große Verantwortung für die Spiele und wollen die olympischen Werte verteidigen."

Unschuldige schützen

Michael Cepic, der Geschäftsführer von Österreichs Anti-Doping-Agentur, hat ebenfalls ein "Problem mit Kollektivstrafen". Wenn sich bestätige, dass offizielle Stellen in Russland an der Vertuschung und Manipulation von Dopingproben beteiligt waren, müssten drastische Maßnahmen her. "Aber immer mit der Möglichkeit, dass man Unschuldige schützt. Und wir heben ja immer den Schutz der sauberen Sportler hervor. Dann können wir nicht alle in einen Topf hauen und alle sperren." Ein Antreten in Rio unter olympsicher Flagge von Athleten wie Stabhochsprung-Olympiasiegerin Jelena Isinbajewa, die oft und auch von westlichen NADAs immer negativ getestet worden sei, müsse möglich sein.

Deutliche Erwartungen an das IAAF-Council hat auch Ralph Vallon, der Präsident des Österreichischen Leichtathletik-Verbandes. "Wir wollen niemandem was unterstellen, aber wenn andere Länder wie hier speziell Russland oder China oder auch in Afrika andere Möglichkeiten haben, anders arbeiten .... und das offensichtlich bis an die Kante ausreizen, dann könnte es sich um eine Wettbewerbsverzerrung handeln. Deswegen sind wir nicht begeistert und würden hier eine strikte Lösung durchaus begrüßen", sagte er.

Wenth hofft auf abschreckende Wirkung

Das sieht auch ÖLV-Athletin Jennifer Wenth so. "Es wäre ein gutes Ausrufezeichen, wenn man Russland ausschließt, auch für die anderen Nationen, die kein funktionierendes Anti-Doping-System haben", sagte die 5.000-m-Läuferin, die sich auch eine abschreckende Wirkung erhofft. "Das wäre auch für andere Länder ein Zeichen, dass man nicht so weitermachen kann." Ein Ausschluss Russlands sollte ihrer Meinung nach einiges in Gang bringen. "Dass es wieder realistisch wird, dass man als saubere Europäerin eine Medaille bei Olympia oder einer Weltmeisterschaft machen kann. Das wäre erstrebenswert. Auch für den Nachwuchs, dass der Aussichten hat."

Österreichs Sportminister Hans Peter Doskozil sprach sich bei entsprechender Beweislage ebenso für einen Olympia-Ausschluss Russlands aus. "Wenn nachweisbar ist und wenn auch tatsächlich nachgewiesen werden kann, dass es sich hier um organisiertes, auch staatlich organisiertes Doping handelt, dann würde ich die Meinung vertreten, dass hier eine Sperre erfolgen sollte", meinte er vor einem EU-Sportrat in Brüssel.