Mit ihren Rücktritten aus der „Medical Commission“, der medizinischen Kommission des Kletter-Weltverbandes IFSC, haben zwei Ärzte einen Stein ins Rollen gebracht: Eugen Burtscher, Arzt und Österreichs Kletter-Verbandspräsident, sowie Volker Schöffl, Sportmediziner aus Deutschland, kritisierten Anfang Juli, dass der Weltverband dem Gewichtsproblem im Kletter-Sport nicht mit der nötigen Konsequenz entgegensteuert. Beide untersuchten die Auswirkungen des „RED-S-Syndroms“ („Relative Energy Deficiency in Sport“, „relativer Energiemangel im Sport“): Die Gewichtsreduktion – die das Klettern freilich erleichtert – kann für Sportlerinnen und Sportler erhebliche gesundheitliche Folgen wie hormonelle Funktionsstörungen, reduzierte Knochendichte und Herz-Kreislauf-Probleme haben. Starken Handlungsbedarf sah man vor allem aufgrund der Gefahr der Nachahmung von jungen Sportlerinnen und Sportlern. Sie könnten das nicht mehr verantworten, sagten die beiden Ärzte im Sommer sinngemäß. Damit, dass der Weltverband Maßnahmen setzt, wurde nicht gerechnet – schon gar nicht in einer Saison, in der Olympische Spiele anstehen.

Geirrt – der Weltverband veröffentlichte nun einen Maßnahmenkatalog, um das Problem in den Griff zu bekommen. Und schon Ende Februar, also deutlich bevor im April die Weltcup-Saison startet – soll dieser schlagend werden. Alle Athleten müssen einen Fragebogen ausfüllen, außerdem ist vom Nationalverband ein ärztliches Attest aller Athleten an den Weltverband zu übermitteln. So sollen problematische Fälle gleich entdeckt werden können. Bei den Wettkämpfen kann es dann auch zu Zufallstestungen kommen. Und: Werden Betroffene als kritisch eingestuft, können sie vom Wettkampf ausgeschlossen werden.

Für Burtscher schießt die IFSC über das Ziel hinaus

Diese Handhabe gibt es zum ersten Mal – und ihr kann Österreichs Kletterpräsident Burtscher auch etwas abgewinnen. Dennoch sieht er den Maßnahmenkatalog des Weltverbandes kritisch: „Meiner Meinung nach schießt man über das Ziel hinaus. Die Regelung ist nicht wirklich durchdacht, sehr komplex und lässt ein paar Fragen offen“, sagt der Allgemeinmediziner aus Dornbirn. Zudem würden auch alle über einen Kamm geschert: Alle gleichermaßen zu untersuchen, kontrollieren und befunden, sei wohl zu viel. Sinnvoll würde Burtscher eine Vorselektion finden. Und doch überwiege der positive Aspekt, dass etwas getan werde. „Denn was liefert man den Jungen für eine Botschaft, wenn sie sehr dünne Athletinnen auf dem Podest sehen?“, meint Burtscher und sagt: „Immerhin passiert etwas. Ob es gut ist, müssen wir erst herausfinden.“

Johanna Färber, Weltcup-Athletin aus Graz, ist hochzufrieden. „Ich habe aus Athletenkreisen noch keine kritische Stimme gehört“, sagt die 25-jährige Boulder-Spezialistin. Wovon Färber ausgeht ist: „Es wird individuell zu einigen Dramen kommen.“ Was sie damit meint? Athleten und Athletinnen, die auffällig getestet und gesperrt werden, dürfen erst wieder Wettkämpfe bestreiten, wenn sie völlig gesund sind. „Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist, von dieser Krankheit loszukommen“, sagt Färber. Die Athleten-Kommission – unter anderem die slowenische Olympiasiegerin Janja Garnbret – hat sich für diese Regeländerung starkgemacht. „Man kann das Erscheinungsbild unseres Sports deutlich verbessern“, sagt Färber.

Das hat Johanna Färber im Juli auf Instagram gepostet
Das hat Johanna Färber im Juli auf Instagram gepostet © Instagram