Die Schwimmhalle in La Defense ist, obwohl mit einem temporären Becken ausgestattet, ein Erlebnis. Die Show, die vor den Sessionen abgeht, ein Gedicht. An diesem Tag war aber alles noch ein wenig intensiver. „Le jour le plus Leon“ titelte die „Sport-Bibel“ L‘Équipe am Mittwoch in Versalien. Mehr Marchand gibt es nicht, sozusagen. Der 22-Jährige gilt seit der Schwimm-WM in Fukuoka 2023 als Nachfolger von Michael Phelps, erfolgreichster Schwimmer aller Zeiten.

Er dankte es – und ließ sich von einer Welle des Lärms über 200 Meter Delfin zum Erfolg tragen, zog auf der letzten Länge noch am führenden Weltrekordhalter Kristof Milak vorbei und eroberte mit neuem olympischen Rekord von 1:51,21 Minuten sein zweites Gold; über 200 Meter Brust ließ er rund zwei Stunden später noch ein weiteres folgen, wieder mit Olympia-Rekord. Frankreich steht kopf und liegt dem Star zu Füßen, die Halle bebte. Der „Golden Boy“, wie sie ihn rufen, scheint tatsächlich keine Grenzen zu haben und alle Limits zu sprengen.

Leo Marchand  feierte den Sieg über 200 m Delfin
Leo Marchand feierte den Sieg über 200 m Delfin © IMAGO

Einer spielte an diesem Abend eine Nebenrolle im geplanten Erfolgssolo, aber eine Hauptrolle für den heimischen Sport: Martin Espernberger. Der 20-Jährige war ins Finale über 200 Meter Delfin geschwommen – und wie. Der Oberösterreicher, der in den USA aufs College geht, ließ sich von der Begeisterung anstecken und schlug nach 1:54,17 Minuten an. Er hatte damit sein großes Ziel erreicht: Ins Olympia-Finale zu schwimmen und den in London bei den Spielen 2012 von Dinko Jukic aufgestellten Rekord (1:54,35) zu verbessern. Der Lohn: Platz sechs; auf eine Medaille fehlen 1,37 Sekunden. Rang sechs ist für den WM-Dritten von Doha aber trotzdem ein riesiger Erfolg.

„Es war sehr cool, man hat schon gemerkt, dass es da vorn spannend ist“, sagte er lachend und meinte: „Ich bin voll zufrieden, auch wenn ich mich ein ganz klein wenig ärgere, dass ich die 1:53 nicht geknackt habe. Das verschieben wir aber einfach auf nächste Saison, weil eines lasse ich mir nicht nehmen: Rekord und sechster Platz bei Olympia.“ Erschwommen in neuer Badehose („Die hat ein bisserl mehr rot darin.“) und im vielleicht lautesten Rennen des Jahres. So einen Lärm habe er beim Schwimmen noch nie erlebt, sagte er, auch nicht bei den lauten NCAA-Meisterschaften. Es sei ein schöner Abschluss seiner (Sommer-)Saison gewesen, in der er in Doha WM-Bronze geholt hat und nun auch ins Olympia-Finale und zum Rekord geschwommen sei. Feiern? „Kann sein. Jetzt geht es heim ins Dorf zu Eltern und Freunden. Als Spitzensportler und Student musst du aber zwei Leben leben. Wenn‘s passt, kann ich feiern.“