Saman Soltani wartete auf dem Flughafen in Barcelona auf den Flug nach Teheran. Die junge Sportlerin aus dem Iran war zu einem hochwertigen Trainingscamp im Synchronschwimmen nach Spanien gereist – doch zur Heimreise sollte es nicht mehr kommen. Per Telefon riet man ihr dringend davon ab, in das Flugzeug zu steigen. Zuhause, so die Warnung, werde nach ihr gesucht.

Man schrieb das Jahr 2022, Ende August, wenige Wochen bevor im Iran Protestwellen gegen das autoritäre Regime begonnen haben. Saman Soltani war in ihrem Land eine bekannte Frau: Sie war mehrfache iranische Meisterin im Synchronschwimmen, doch diese Medaillen stillten ihren Durst nicht: Sie wollte mehr, sehnte sich nach internationalen Wettkämpfen. Doch Frauen aus dem Iran durften ohne Hijab nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Die Einladung nach Barcelona hatte sie aber wahrgenommen: Sie war zu dieser Zeit auch Trainerin, wollte eine Vorzeigeathletin für junge Frauen sein. Sie teilte ihre Eindrücke auf den sozialen Medien – den Autoritäten im Iran gefiel dies nicht.

Nicht nach Teheran zu fliegen, war die richtige Entscheidung. Doch nicht immer fühlt sich gut an, was richtig ist. „Auf dem Flughafen in Barcelona rief ich den einzigen Menschen an, den ich in Europa kannte: Uwe Schlokat urlaubte einst im Iran, dort lernten wir uns kennen. Er sagte, ich soll nach Wien fliegen.“ Spricht Soltani über ihre Ankunft in Österreich, gibt sie tiefe Einblicke in ihre Gefühlswelt. „Ich habe jede Nacht geweint, konnte kaum schlafen und hatte Albträume. Das war hart.“ Es war Schlokat, der sie motivierte, zum Kanusport zurückzukehren.

 Saman Soltani mit Sportminister Werner Kogler bei der offiziellen Einkleidung
Saman Soltani mit Sportminister Werner Kogler bei der offiziellen Einkleidung © ÖOC/Meindl

Für Soltani war das wie ein Comeback: Im Iran wechselte sie 18-jährig zum Kanusport, da sie im Synchronschwimmen ohne Hijab keine internationalen Wettkämpfe bestreiten durfte. Nach zwei Jahren hat sie 2018 Silber in der Asien-Meisterschaft gewonnen. Die Medaille war ein Beweis: Sie war gut, richtig gut, wenn man bedenkt, wie spät sie mit diesem Sport begonnen hat. Sie hatte Chancen, sich für die Spiele 2021 zu qualifizieren, war die Hoffnung des Iran – doch die Pandemie durchkreuzte ihre Pläne. Sie kehrte zurück zum Synchronschwimmen.

„Aus dieser Situation herauszukommen war härter als der Sport“

In Wien hat Soltani gelitten, dank des Kanusports aber wieder zur Lebensfreude gefunden. Dass sie in Paris für das Flüchtlingsteam des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) starten darf, rührt sie zu Tränen. „Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich mich das macht. Und ich kann gar nicht sagen, wie hart ich gearbeitet habe. Ich war in Wien und habe mich gefragt, wie es weitergehen soll. Aus dieser Situation herauszukommen war härter als der Sport“. Doch ebenjener verhalf ihr zu neuem Glück. „Als ich gehört habe, dass ich in Paris dabei bin, habe ich an die harten Jahre gedacht. Das war immer mein Traum.“

Großen Anteil an diesem Traum hat Österreichs Kanu-Verband. „Die Leute sind so freundlich. Auch wenn das viele in Österreich zum ersten Mal hören“, sagt Soltani, lacht und beweist damit, schon einiges über Österreich zu wissen. Sie alle haben ihren Teil dazu beigetragen, dass aus den bitteren Tränen von einst Freudentränen wurden. „Sie haben mir geholfen, zurück in das Leben zu finden.“