Es ist gut vorstellbar, dass in der Box von den Hausherren aus Mattighofen in der Nacht auf Sonntag der ein oder andere Regentanz aufgeführt wurde, um sich für den Grand Prix auf dem Red Bull Ring eine bessere Ausgangslage zu verschaffen. Im Regen von Spielberg würden die Karten neu gemischt und mit Brad Binder hätte KTM einen Fahrer in den eigenen Reihen, der auf nasser Fahrbahn schon einmal das Kunststück vollbracht hat und 2021 die Ducati-Dominanz am Ring brach. Bleibt es trocken, scheint ein Sieg außer Reichweite zu sein, stellt Ducati doch die komplette erste Startreihe.

Somit müssen die Fans auf der in Orange getauchten KTM-Tribüne wieder einmal hoffen. Ein Prinzip, das die Österreicher vor dem Saisonstart verwerfen wollten. „Wir haben endgültig aufgehört zu reden, dass wir happy sind, einfach dabei zu sein. Wir wollen um Siege und Podestplätze fahren. Unsere klare Zielsetzung ist es, 2024 um den WM-Titel zu kämpfen“, gab Chef Pit Beirer im März vor. Etwas mehr als fünf Monate später sind die Titelchancen trotz noch zehn zu fahrender Rennwochenenden dahin, an einem Ducati-Weltmeister führt kein Weg vorbei. KTM, in den ersten drei Grands Prix immer auf dem Podest, fährt der Spitze zuletzt hinterher. Pedro Acostas zweiter Platz beim Texas-GP Mitte April ist der letzte Podiumsplatz des Herstellers in einem Grand Prix. Der Youngster ist der große Lichtblick in seiner ersten Königsklassen-Saison, dahinter herrscht Rätselraten.

Zweckoptimismus?

So auch beim etatmäßigen Einserfahrer aus Südafrika. Im Vorjahr als bestes Nicht-Ducati-Ass noch mit WM-Platz vier, liegt Binder derzeit nur auf Rang sieben. In der Herstellerwertung wurde man sogar von Aprilia überholt. Der Spielberg-Sieger von 2021 versucht zumindest positiv zu bleiben. „Wir haben einen Plan und versuchen alles. Ich bin zuversichtlich, dass es schon in naher Zukunft besser wird.“ Die Saison sei bisher eine „Achterbahnfahrt“, jene von Teamkollege Jack Miller hätte aber „mehr Abs als Aufs“. Der Australier verlässt den Hersteller nach einer bisher enttäuschenden Saison mit Jahresende. „Wir hatten einen guten Start, seither aber viele Probleme. Ich hatte vor allem mit meiner Front und Stürzen zu kämpfen. Generell verstehen wir schon, was es braucht, um den Rückstand zu verringern. Das Problem ist, dass die Vorderen ihren Vorsprung vergrößern wollen – und das auch tun.“

Aktuell beschreibt Binder die Probleme wie folgt: „Der erste Punkt ist der Grip auf dem Hinterreifen. Wenn wir das in den Griff bekommen, müssen wir schauen, dass der Reifen bis zum Ende des Rennens überlebt.“ Teamkollege Miller spricht von „Kleinigkeiten“, die den Unterschied ausmachen würden. „Es sind alle mit den Bikes so am Limit, da kann es um Millisekunden gehen“. Offen ist, wie viele Ressourcen KTM in eine fast schon verlorene Saison steckt, um die fehlenden Millisekunden herauszukratzen. Aufschluss darüber könnte bereits das Heimrennen am Sonntag geben. „Bei dieser großartigen Atmosphäre bietet sich für uns immer die Möglichkeit, das Ruder herumzureißen“, hofft Binder auf einen erfolgreichen Grand Prix. „Ich hoffe, es wird der Wendepunkt für uns.“