Es war nur mehr eine Frage der Zeit, am Montag ist sie nun schließlich für Mattia Binotto gekommen. Ferrari akzeptierte den Rücktritt des bisherigen Teamchefs mit Ende des Jahres und muss sich somit auf die Suche nach einem neuen starken Mann an der Spitze machen. Die Chefetage wollte Binotto, der ganze 28 Jahre für die Scuderia in unterschiedlichsten Funktionen tätig war, damit die Möglichkeit geben, würdig und von sich aus abzutreten.
Der Abschied war nach der verpatzten Weltmeisterschaft in diesem Jahr aber unumgänglich. Dabei sah das zu Saisonbeginn noch ganz anders aus. Die neue Rennwagen-Generation bot die große Möglichkeit, wieder an erfolgreichere Zeiten anzuschließen. Und Ferrari schien diese Chance zu nutzen. Mit dem F1-75 kam nach langer Zeit wieder einmal ein Meisterwerk aus Maranello, schneller und vermeintlich zuverlässiger als die Boliden der Konkurrenz. Was auf den sensationellen Auftakt folgte, waren Pleiten, Pech und Pannen. Falsche Strategien,
Zuverlässigkeitsprobleme, Fahrfehler, verpatzte Boxenstopps und zu wenig Entwicklung am 2022er-Auto kosteten Ferrari nicht nur die WM, sondern Binotto schlussendlich auch den Job. „Ich habe mit Bedauern beschlossen, meine Tätigkeit für Ferrari zu beenden. Ich verlasse eine Firma, die ich liebe und die 28 Jahre lang ein fester Bestandteil meines Lebens gewesen ist“, erklärt der Italiener seinen Rückzug.
Die Geschichte scheint sich also zu wiederholen. Schon Binottos Vorgänger Maurizio Arrivabene musste nach einer ähnlichen Performance 2018 seinen Hut nehmen. Bis in den Sommer hinein schien Ferrari das bessere Auto gegenüber Mercedes zu haben, Fehler von Sebastian Vettel und seiner Box sowie mangelnde Entwicklung führten zu einem enttäuschenden Saisonausgang und dem Rausschmiss Arrivabenes.
Schon damals wollten die Italiener mit Binotto mehr Ruhe ins Team bringen und einen nachhaltigen Erfolgslauf starten. „Wir stecken in einem mittel- bis langfristigen Projekt, ich sehe uns als junges Team. Wir brauchen Zeit, um einen Lauf zu haben und uns an der Spitze zu halten“, sagte Binotto. Diese Zeit ist nun abgelaufen und der Weg für einen weiteren Neustart in Rot ist frei. Bleibt die Frage: Unter wem?
Die besten Karten hat freilich Frédéric Vasseur, derzeit noch Teamchef bei Alfa Romeo. Der Franzose hat viel Erfahrung im Motorsport, war bereits Boss bei Renault, ehe er in der jüngeren Vergangenheit Alfa Romeo auf Vordermann brachte und maßgeblichen Anteil am Deal mit Audi hat. Unter ihm feierte bei Sauber auch ein gewisser Charles Leclerc sein Formel-1-Debüt, dem nachgesagt wird, eine entscheidende Rolle beim Abschied Binottos gespielt zu haben. Die Scuderia will sich mit der Vergabe des wohl größten Jobs der Königsklasse bis zum neuen Jahr Zeit lassen. Bei Andreas Seidl, Christian Horner und Ross Brawn soll Ferrari bisher angefragt haben. Alle drei sagten aber ab.