Sie formieren sich Jahr für Jahr im roten Fahnenmeer, stehen „habt Acht“ zum größten Wagenrennen Italiens – bei dem eigentlich nur ein Ferrari gewinnen sollte. Früher vielleicht noch ein Alfa Romeo. Das Autodrom von Monza, die Kultstätte des Rennsports, erlebt Jahr für Jahr das gleiche Schauspiel. Egal, ob nun Ferrari von Sieg zu Sieg galoppiert oder das springende Pferd lahmt. Die Ferraristi haben für Ungläubige nur wenig Schmeichelhaftes übrig. Mit „Welcome to hell, Lewis“ pflegen sie einen gewissen Lewis Hamilton zu empfangen.

Das war immer schon so. Ein auf einem Ferrari siegreicher Fahrer wird verehrt, ein besiegter gesteinigt. Denn die Tifosi sind sich mit der traditionellen Firmenphilosophie von Ferrari einig. Es zählt immer nur „La Macchina“, niemals der Fahrer. Ein Niki Lauda fuhr sich in die Herzen der Tifosi, „Niki Nazionale“ wurde assimiliert, als er erstmals mit einer Golden Eagle von Salzburg nach Bologna flog, zu den ersten Verhandlungen mit Enzo Ferrari (1973). Als er später, nach den ersten Tests, als erster Fahrer die „Macchina“ verfluchte, als unfahrbar bezeichnete, auf Englisch, musste Piero Lardi, der uneheliche Sohn des Commendatore, ausweichen: „Das kann ich nicht übersetzen.“

Nina Rindt stoppt die Trainingsrunden
Nina Rindt stoppt die Trainingsrunden © (c) imago images / Motorsport Images (Rainer Schlegelmilch via www.imago-images.de)

Es ging dann doch. Mit dem genialen Mauro Forghieri gelangen Verbesserungen. In Jarama gewann Lauda 1974 seinen ersten Grand Prix für Ferrari, 1975 wurde er Weltmeister. In Monza gab er, 1976 – nach dem „Barbecue vom Nürburgring“ (Lauda über seinen Feuerunfall) – seine erste große internationale Pressekonferenz.

Es war ein Wiedersehen in einer Hochgeschwindigkeitsarena. Auf keinem Kurs der Welt wird schneller gefahren. Die Top-Speed-Hitparade führt Kimi Räikkönen an, der 2005 mit 370,1 km/h gemessen wurde. Qualifyingrunden fährt man mit einem Schnitt um die 250 km/h. Auch ohne die sagenumwobenen Steilkurven, wo in den 50er- und 60er-Jahren noch mit viel Gottvertrauen um jeden Zentimeter in Windschattenschlachten gekämpft wurde.

Michael Schumacher schrieb auch Geschichte, als sein Siegerschnitt 2003 bei unglaublichen 247,6 km/h lag. Der Deutsche ist zusammen mit Lewis Hamilton auch Rekordsieger mit je fünf Erfolgen. Einen der emotionalsten Siege durfte aber 2008 Sebastian Vettel feiern. Er sorgte damals für den bisher einzigen Sieg von Toro Rosso (heute Alpha Tauri). Mit Gerhard Berger als Teamchef wurden auf dem Podium („dem besten der Welt“, so Vettel) ein paar Tränen zerdrückt.

Monza ist auch ein Relikt aus einer Zeit, als der Tod permanenter Begleiter des Rennsports war. Die hier verunglückten Legenden werden verehrt wie Heilige, bleiben so in diesem Tempel der Geschwindigkeit lebhaft durch ewige Erinnerung. Das ändert sich auch nicht, nur weil der Efeu sich an bröckelnden Mauern emporrankt.

So ist Monza Jahr für Jahr ein Spiel zwischen Trauer und Ritual. 1922 starb der deutsche Rennfahrer Gregor „Fritz“ Kuhn, der erste tödlich Verunglückte in Monza. Alberto Ascari start 1955 bei privaten Testfahrten im königlichen Park. Und 1961 kam Wolfgang Graf Berghe von Trips nach einer Kollision mit Jim Clark ums Leben, mit ihm 14 Zuschauer. Die Unfallursache wurde zwar von der Staatsanwaltschaft untersucht, aber nicht, um künftig ähnliche Unfälle zu vermeiden, sondern um einen Schuldigen zu finden. Und schließlich wurde eine der legendärsten Kurven in der Formel 1 auch Jochen Rindt zum Verhängnis.

Man konnte den Verantwortlichen bei den zahlreichen tödlichen Unfällen keine Fahrlässigkeit vorwerfen, sie wussten es damals einfach nicht besser. Erst ab Ende der 60er-Jahre wurde mehr für die Sicherheit getan. Auf Betreiben von Jackie Stewart wurde 1970 der Nürburgring boykottiert (Jochen Rindt gewann in Hockenheim).

Monza, Italy, 08.09.2019, Formel 1, Formula 1, Italien Grand Prix, Podium:, Sieger Charles Leclerc (MCO 16), Scuderia Fe
Monza, Italy, 08.09.2019, Formel 1, Formula 1, Italien Grand Prix, Podium:, Sieger Charles Leclerc (MCO 16), Scuderia Fe © (c) imago images/eu-images (via www.imago-images.de)

Doch in Monza, wo die Strecke auch nicht mit der Autoentwicklung mithalten konnte, hinkte die Entwicklung hinterher. Die Boliden wurden immer leichter, zerbrechlicher und schneller. Die Bäume, die neben der Strecke lauerten, die Hecken, die schlecht montierten Leitschienen aber blieben. Jochen Rindts Lotus 72 rutschte unten durch und blieb an einem Befestigungspfosten hängen.