Es ist das Heimspiel der Lewis Hamilton: Nicht nur, dass er sich in einem faszinierenden Duell im Qualifying in Silverstone ganz knapp mit vier Hundertstel Vorsprung vor dem mit  Nackenproblemen kämpfenden Sebastian Vettel wie schon im Vorjahr die Pole Position sicherte, seine sechste hier insgesamt, und damit bei den Briten die ersten Jubelstürme auslöste, ehe sie sich dem Fußball zuwenden konnten: Schon am Freitag Abend hatte er noch einen Campingplatz der Silverstone-Volunteers besucht, um dort 2000 Flaschen Bier und 1000 Snack-Boxen, von ihm gestiftet, auch persönlich abzugeben zur großen Überraschung und Freude der freiwilligen Helfer. Sein Heimrennen ist für ihn unglaublich wichtig: „Ich bin sehr privilegiert: Kein Fahrer erhält bei einem Heim-GP so viel Unterstützung wie ich hier in Silverstone. Nur Max Verstappen kommt mit seinen Anhängern aus den Niederlanden halbwegs ran.“

Der Engländer gewann jedes Rennen der neuen Turbo-Ära auf dem früheren Flugfeld – 2014, 2015, 2016 und 2017. Insgesamt triumphierte er in Silverstone sogar fünf Mal, denn 2008 stand er mit McLaren ganz oben auf dem Siegerpodest. Gelingt ihm am Sonntag ein weiterer Erfolg, ist er der einzige sechsfache Sieger dieses Rennens. Fünf Mal konnten den britischen Grand Prix auch Jim Clark gewinnen (1962 bis 1965 sowie 1967) sowie Alain Prost (1983, 1985, 1989/90, 1993). Fünf Mal in Folge hat es allerdings noch niemand geschafft, vier Mal in Serie neben Hamilton nur der unvergessene Jim Clark von 1962 bis 1965.

So holt er sich hier auch immer wieder noch einmal ganz besondere Motivation: „Wie jedes Jahr ist Silverstone für mich das Rennen der Rennen. Ich habe mir vorher einige Bilder vom vergangenen Jahr angeschaut – ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich sehe, was da nach dem Grand Prix los war. Und viele Anhänger kommen in einem Hoch hierher, weil unsere Fußballelf derzeit so gut spielt.“ Sollte England ins Finale kommen, wolle er auf jeden Fall live dabei sein: „Ich habe mir den Sonntag schon mal frei gehalten. Wenn´s so kommt, fliege ich hin...“

Die zusätzliche Motivation tut ihm gut – speziell nach dem Tiefschlag von Österreich: „Das war nicht einfach zu verdauen. Aber was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Misserfolg lässt uns nur noch mehr zusammenrücken, und das ist auch jetzt so. Klar hat es weh getan, was am Red Bull Ring passiert ist. Aber wir sind überzeugt, dass so ein Schaden wie in Österreich nicht mehr vorkommen wird.“

Wie schwierig es für ihn manchmal sei, mit den Rückschlägen, mit denen man in der Formel 1 immer wieder konfrontiert wird, umzugehen, das gab Hamilton kurz vor Silverstone einmal zu, erlaubte einen Blick in seine durchaus sehr sensible Seele. „Die Formel 1 hat mir ein Leben gegeben, mir einen Sinn gegeben, der ziemlich speziell ist“, gestand der 33-Jährige. „Aber die Formel 1 hat mich auch gebrochen. Sie hat mich gebrochen und wieder aufgebaut – immer wieder." Was Hamilton meint: Nach jedem Erfolg kam immer auch eine Niederlage. Nach seinem ersten WM-Titel 2009 kam ein Tief mit vier Jahren ohne Titel. „Wenn du da durchgehst, steckst du so viel hinein. Es bricht dein Herz und tötet dich, wenn du versagst, wenn du stolperst und dir jeder dabei zusieht. Aber wenn du wieder aufstehst und Erfolg hast, zieht es dich wieder hoch." Hamilton vergleicht das Auf und Ab in der Formel 1 deshalb mit einer Verletzung im wahren Leben. "Du fällst hin und brichst dir einen Knochen, das verheilt und dann machst du weiter.

Auch aktuell ist die Saison eine Berg- und Talfahrt für den Briten. Auf Siege folgen immer wieder Rückschläge: Dazu gehören die Plätze vier und fünf in China und Kanada oder zuletzt der Ausfall beim Großen Preis von Österreich. Doch der Mercedes-Star gibt sich dann doch noch als Kämpfer. "Die Formel 1 hat mir geholfen zu wachsen, und ich habe viel mehr Vertrauen in mich selbst gewonnen. Was sie mir gegeben hat, ist die Plattform, um Dinge tun zu können, die ich machen möchte – das Leben zu leben, von dem ich früher nur träumen konnte."

Wie er sich das Auf und Ab der Saison 2018 erklärt? „Wir haben mit dem Auto eigentlich große Fortschritte gemacht, wir verstehen es besser - und auch die Funktion der Reifen. Ich kann das Auf und Ab nicht so wirklich erklären, aber der Kampf ist auf jeden Fall enger als in den letzten Jahren. Wir müssen mehr aus dem Auto holen. Ob am Ende dann jeweils Ferrari oder Mercedes oder Red Bull Racing die Nase vorn hat, das hängt vom Pistenlayout ab.“