Chase Carey ist der neue starke Mann der Formel 1. Er fungiert seit der Übernahme der Formel 1 durch Liberty Media als Geschäftsführer des Milliardenunternehmens inne.Die APA - Austria Presse Agentur führte ein E-Mail-Interview mit dem 63-Jährigen, der die Königsklasse des Motorsports "nicht amerikanisieren" wolle.
Das Rennen in Österreich hebt sich von anderen, sagen wir in einer großen Stadt, doch deutlich ab. Sie wollen Amerika und Asien in den Fokus nehmen, wie stehen da die Chancen, dass Rennen wie Spielberg weiterhin die Berechtigung haben, im Formel-1-Kalender zu bleiben?
Chase Carey: Der Große Preis von Österreich ist eines der Rennen mit der größten Tradition in der Formel 1. Nur acht Grand Prix haben eine längere Geschichte. Wie wir schon seit Beginn gesagt haben, schätzen wir die Bedeutung der Tradition dieses Sports sehr hoch ein, und Europa ist definitiv die Wiege der Formel 1. Events, die erfolgreich und Teil dieser faszinierenden Geschichte sind, haben die besten Karten zu bleiben.
Der Österreich-Grand-Prix ist ziemlich speziell mit seiner Einbettung in die Natur und seiner langen Geschichte. Dietrich Mateschitz und sein Team machen einen guten Job, indem sie Zuschauer mit Aktionen auf und neben der Strecke ebenso anlocken wie mit Konzerten. Gibt es irgendetwas, wo Sie sagen würden, man könnte es vielleicht besser machen, und falls ja, was wäre das?
Das wird mein erstes Mal beim Österreich-Rennen sein, aber ich bin sicher, ich werde es genießen. Ich weiß, dass es eine fantastische Location ist, inmitten einer atemberaubenden Naturkulisse, und was die gelungene Organisation von Events angeht, hat Red Bull sicher bewiesen, dass sie an der Spitze stehen. Seit dem Start dieser Saison arbeiten wir hart mit allen Veranstaltern daran, sie zu unterstützen und das entsprechende Rennen als Event unterhaltsamer und ansprechender für die Fans zu machen. Diese Ausgabe des Österreich-Grand-Prix hat ein sehr abwechslungsreiches Programm, und ich bin sicher, in der Zukunft werden wir noch mehr davon sehen.
Ein großer Teil der Anziehungskraft des Sports erklärt sich durch nationalen Enthusiasmus und Identifikation mit den Sportlern. Wäre es sinnvoll, dass etwa jedes Land, das einen Grand Prix austrägt, auch einen Fahrer oder ein Team in der Formel 1 hat? Könnte das funktionieren? Wie könnte die Formel 1 Lokalhelden herausbilden, die als Zugpferde mehr Fans zu den Rennen locken?
Es ist klar, dass ein lokales Aushängeschild, ob das jetzt ein Team oder ein Fahrer ist, mehr Interesse generiert, wodurch mehr Fans zu den Rennen kommen und sie verfolgen, aber wir glauben nicht, dass man das künstlich kreieren kann. Was wir tun können, ist, den Sport laufend attraktiver zu machen, speziell für die jüngeren Generationen, die dann eine größere Leidenschaft für den Motorsport entwickeln und versuchen können, selbst ein Protagonist zu werden. Das ist definitiv eines unserer Hauptziele.
Sollte jedes Rennen eine Art Super Bowl sein? Was würden dann die wichtigsten Elemente davon sein?
Auf eine gewisse Weise ja. Jeder Grand Prix sollte eine Super Bowl sein, aber das bedeutet nicht, dass wir den Sport amerikanisieren wollen. Ein Formel-1-Grand-Prix sollte eine der wichtigsten Sportveranstaltungen in jedem Land sein, wenn nicht die wichtigste Sportveranstaltung. Aber es gibt kein Universalrezept, wie man das verwirklichen kann. Jedes Land hat seine speziellen Charakteristika, daher sind die Fans auch unterschiedlich motiviert. Unser Ziel ist, das bestmögliche Event in jedem Land zu realisieren, und nicht das gleiche Event in allen Ländern.
Nicht nur bei Red Bull glaubt man, dass es die Fahrer sind, die in der Formel 1 mehr zählen sollten, und nicht die Ingenieure. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ich stimme zu, dass die Fahrer der zentrale Part in dem Sport sind und bleiben müssen. Man braucht die Helden, um einen Sport mehr zu lieben, um ein Teil der Story sein zu wollen, um motiviert zu sein, ihn vor Ort, im Fernsehen oder in anderen Medien zu verfolgen. Es ist aber auch Fakt, dass der Motorsport eine sehr wichtige technologische Komponente hat und dass Technologie seit jeher ein integraler Bestandteil der Formel 1 ist. Wir müssen den richtigen Mix finden, aber ich schließe mich der Meinung an, dass die Fahrer der entscheidende Faktor sein müssen.
Ist das derzeitige Modell beim Antriebsstrang das richtige System für die Zukunft? Gibt es Pläne für ein anderes Antriebssystem in der Formel 1, das die Kosten reduzieren würde, und wenn ja, wie könnte es aussehen?
Das derzeitige System wird bis einschließlich 2020 bleiben. Das scheint eine lange Zeit, aber das stimmt so nicht, da die Hersteller sich ausreichend darauf vorbereiten müssen. Die Rahmenbedingungen des Reglements müssen in den nächsten paar Monaten definiert sein, und wir unterstützen die FIA, die weiterhin die Regeln vorgibt und verwaltet, in dieser Phase. (Formel-1-Sportchef; Anm.) Ross Brawn hat eine Gruppe von erstklassig ausgebildeten Ingenieuren zusammengestellt, die in enger Abstimmung mit der FIA arbeiten. Alles, was ich sagen kann, ist, dass klarerweise die Kosten ein Aspekt sein werden, der sorgfältig analysiert wird. Wir brauchen einen Sport, der leistbarer und ausgeglichener ist, das wird seine Unberechenbarkeit erhöhen.
Liberty Media setzt sehr auf digitale Medien. Die Formel 1 ist stark im Free-TV verankert, es gibt Befürchtungen, dass sie bald zunehmend nur noch im Pay-TV zu sehen sein wird.
Es ist auch hier so, dass es kein Rezept gibt, das immer und überall gültig ist. Die Art, wie Leute ein Event verfolgen, verändert sich in einem Land und abhängig vom Alter. Es liegt an uns, den besten Mix zu finden. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass wir aufrechte Verträge und Beziehungen respektieren müssen, also gibt es Situationen, die nicht über Nacht verändert werden können. Wir haben eine Gruppe von Leuten eingesetzt, um herauszufinden, wie die Zuschauer die Formel 1 erleben, was sie sehen wollen, wie und wann. Das ist ein sehr wichtiges Element in unserer Strategie, weil du keine Entscheidungen treffen kannst ohne echtes Wissen, was die Leute wollen und wie sie über den Sport denken.