Am Montag widmet sich der Automobil-Weltverband (FIA) dem Ausraster von Sebastian Vettel beim Formel-1-Grand-Prix in Baku in der Vorwoche. In der Formel 1 fungiert die FIA als Regelbehörde, die einen Einfluss auf die WM durch den Grünen Tisch tunlichst vermeiden will. Doch die Organisation hat sich auch dem Thema Verkehrssicherheit verschrieben - und Vettel gilt bereits als Wiederholungstäter.

Die Rambo-Aktion des Deutschen gegen WM-Konkurrent Lewis Hamilton in Aserbaidschan könnte die Szene der Formel-1-Saison 2017 gewesen sein. Während der zweiten Safety-Car-Phase verringerte Hamilton am Ende von Kurve 15 scheinbar das Tempo, Vettel rauschte ihm ins Heck. Anschließend brachte der Deutsche seinen Ferrari auf gleiche Höhe mit Hamilton, gestikulierte wild und fuhr seitlich in das linke Vorderrad des Mercedes.

Vettel droht eine Rennsperre

Vettel soll Gerüchten zufolge nur knapp einer Disqualifikation entgangen sein. Schließlich reagierten die Stewards mit einer in der Box abzusitzenden Zehn-Sekunden-Strafe aber eher schaumgebremst. Der WM-Führende belegte am Ende sogar vor Hamilton den vierten Platz. Der Brite wurde nur Fünfter, da die Boxencrew seine locker gewordene Kopfstütze austauschen musste.

Weil die FIA auf ein Nachspiel bestand, droht Vettel nun im schlimmsten Fall eine Zwangspause. Bekommt er drei weitere Strafpunkte, verpasst er automatisch den nächsten WM-Lauf - das wäre der Große Preis von Österreich am Sonntag. Möglich ist aber auch eine explizite Rennsperre vor dem Sportgericht. Zuletzt wurde Romain Grosjean 2012 nachträglich belangt und musste ein Rennen zuschauen, nachdem er in Spa eine Startkollision ausgelöst hatte. Ein weiteres Instrument ist der Abzug von WM-Punkten, auch eine Geldstrafe ist denkbar.

Die FIA will am Montag die Hintergründe noch einmal evaluieren, dann festlegen, ob ein weiteres Vorgehen überhaupt notwendig ist. Eine Entscheidung soll vor dem Spielberg-Rennen kommuniziert werden, hieß es. Die Turbulenzen kommen für Vettel freilich zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Nicht nur, dass er seinen 30. Geburtstag am Montag gerne anders verbracht hätte, vor allem im Duell mit dem wiedererstarkten Hamilton gilt es, gerade jetzt nicht nachzulassen.

Heftige Diskussionen

Die meisten Fans und Fachleute schlugen sich in der Debatte auf die Seite des Briten. Es gibt jedoch auch andere Stimmen. "Es ist bei sehr geringer Geschwindigkeit passiert, hinter dem Safety Car. Und Rennfahrer müssen Emotionen haben", verteidigte Red-Bull-Konsulent Helmut Marko seinen Ex-Zögling. "Man kann Rennfahren nicht mit Fahren im Straßenverkehr vergleichen, so als ob es Rennsport nicht gebe", meinte Jenson Button. Auch Toto Wolff und Formel-1-Sportchef Ross Brawn verwiesen auf die Autonomie des Sports.

Die FIA könnte zu dem Schluss kommen, dass Vettel zwar überreagiert, Hamilton jedoch nicht vorsätzlich touchiert hat. Für diese Hypothese kann sich offenbar Mika Salo erwärmen. "Für mich sah es danach aus, dass sein Lenkrad unbewusst bewegt wurde", zitierte die finnische Zeitung "Ilta-Sanomat" den früheren Grand-Prix-Fahrer, der heute als Steward im Einsatz ist. Auch im Internet gehen dazu die Wogen hoch.

Der Knackpunkt ist wohl, dass Vettel in Baku nicht das erste Mal in der Hitze des Gefechts die Sicherungen durchgebrannt sind. In Ungarn zeigte er in Richtung der Rennleitung einmal den Vogel. Im Oktober 2016 beschimpfte er in Mexiko Rennleiter Charlie Whiting via Funk ("Hier ist die Botschaft für Charlie: F... off!"). Die FIA sah letztlich wegen einer umgehenden Entschuldigung Vettels von einer Strafe ab, kündigte aber bei künftigen Vergehen eine Null-Toleranz-Politik an.

Der Weltverband versucht seit Jahren, Bewusstsein für Sicherheit im Straßenverkehr zu schaffen. Und Formel-1-Fahrer sind nach der Vorstellung von FIA-Präsident Jean Todt die wichtigsten Botschafter für dieses Anliegen. Am Mittwoch wird bei einer Pressekonferenz des ÖAMTC in Wien mit Fernando Alonso und Valtteri Bottas die FIA-Kampagne "#3500LIVES" vorgestellt. Weltweit sterben täglich 3.500 Menschen im Straßenverkehr, heißt es in der Einladung.