Im Castingverfahren für das vakante Formel-1-Cockpit bei Mercedes hat Testfahrer Pascal Wehrlein gute Karten. Bei Fernando Alonso hingegen schrillen innerhalb des Daimler-Konzerns die Alarmglocken. Eine Situation wie im Jahr 2007, als sich Alonso und Lewis Hamilton bekriegten, sei "absolut ein Territorium, das ich nicht betreten möchte", stellte Sportchef Toto Wolff am Samstag in Wien klar.
"Wir haben ein Junior-Programm, und wir haben zwei, meiner Meinung nach, der talentiertesten jungen Fahrer da drinnen. Es wäre aufregend, einen der beiden im Auto zu haben", verwies Wolff auf Wehrlein und Esteban Ocon. Der 20-jährige Franzose hat für das kommende Jahr bei Force India einen Platz ergattert, dort könnte man ihn aber relativ leicht rausbekommen, zumal Mercedes das indisch-englische Team mit Motoren beliefert.
Für Wehrlein, dessen Zukunft nach seiner Debütsaison bei Manor noch unklar ist, spricht, dass er in diesem Jahr fleißig für Mercedes getestet hat, unter anderem mit den neuen, breiten Pirelli-Reifen. "Ja mit Großbuchstaben", antwortete Wolff auf die Frage, ob das ein Vorteil für den Deutschen sei. "Und er hat sich sehr ordentlich angestellt bei den letzten Tests in Abu Dhabi jetzt." Der Teamboss gab zu bedenken, dass Wehrlein und Hamilton "eine explosive Mischung" seien.
Kein Kompromiss
"Andererseits werden wir keinen Kompromiss machen und nach interner Evaluierung den Besten nehmen", sagte Wolff in kleiner Runde in der Wiener Innenstadt. Die Frage laute: "Wollen wir wieder zwei gleichwertige Teamkollegen haben, was eigentlich unserer Philosophie entsprechen würde." Genau das soll am Montag im Stützpunkt im englischen Brackley geklärt werden.
Entscheide man sich für diese Variante, wird in einem zweiten Schritt geprüft werden, wer zu haben ist. "Da gibt es Kandidaten, die nicht verfügbar sind - und das ist eindeutig klar. Die beiden 'Bullen' (Daniel Ricciardo und Max Verstappen; Anm.) sind nicht verfügbar, Sebastian (Vettel; Anm.) ist nicht verfügbar. Alle anderen müssen wir analysieren." Auf die Frage, welche Piloten Wolff seit Freitagnachmittag kontaktiert hätten, antwortete der Wiener: "Alle, die meine Nummer haben."
Im Falle von Ferrari-Star Vettel und dem Red-Bull-Tandem Ricciardo und Verstappen werde man aufrechte Verträge respektieren. Den Weg juristischer Auseinandersetzungen, um jemanden mit Gewalt von einem anderen Rennstall loszueisen, werde man aus Gründen der Integrität "ganz sicher nicht bestreiten", versprach Wolff. Demgemäß kämen also nur Leute mit einer Ausstiegsklausel in Betracht.
Respekt für Hamilton muss da sein
Ein eigenes Kapitel ist Alonso - laut Aussagen von Freitag die erste Wahl von Bernie Ecclestone. Der Spanier fuhr bereits 2007 für McLaren-Mercedes und konnte sich mit den schnellen "Rookie" Hamilton nie anfreunden, was für das Klima im Team nicht förderlich war. So eine Konstellation wolle er in jedem Fall vermeiden. Man könne nicht auf jemanden setzen, "der sein eigenes Ding durchziehen will", sagte Wolff. "Der Respekt vor Lewis muss da sein."
Auch Konzernchef Zetsche gilt nicht als Alonso-Freund. "Wenn du den Oberchef nicht abholst, tust du dir selbst keinen Gefallen", meinte Wolff und erklärte: "Der Prozess ist so, dass wir in Brackley entscheiden, wer die besten Alternativen sind, und uns dann mit dem Niki (Lauda; Anm.), Dr. Zetsche, Ola Källenius und Thomas Weber (Vorstandsmitglieder der Daimler AG; Anm.) absprechen und ihr Feedback holen." Eventuell gebe es "markentechnische Perspektiven, die eine Rolle spielen". Der Rosberg-Nachfolger müsse aber nicht wieder ein Deutscher sein.
Zum Zeithorizont erläuterte Wolff, dass es sinnvoll wäre, im Laufe der kommenden Woche die Entscheidung zu treffen, um das Auto rechtzeitig an die Körpermaße des Piloten anpassen zu können. "Da haben wir mit unseren Buben einen Vorteil, weil beide 3D-gescannt sind und als Ersatzfahrer eben auch eingeplant waren in das Chassis-Design. Das ist natürlich ein Prozess, wenn's wer anderer wäre, den man starten muss." Vor Weihnachten solle der Sieger des "Castings" kommuniziert werden.
Auch Ogier bot sich an
Bei der FIA-Pressekonferenz in Wien bot sich am Freitag der im Auditorium wartende Rallye-Weltmeister SebastienOgier als Rosberg-Ersatz an. Und der Einwurf des Franzosen, der im Saal für heitere Auflockerung sorgte, hat einen ernsten Hintergrund. Nach dem Rückzug des Volkswagen-Konzerns könne Ogier seine Rückkehr in den Rallyesport "nicht zu hundert Prozent garantieren", wie er sagte.
Auch die Moto-GP-Asse Valentino Rossi und Jorge Lorenzo haben sich im Scherz ins Spiel gebracht. "Jemand, der Motorrad fahren kann auf dem Level, Rallye oder einen Sportwagen, kann auch einen Formel 1 konkurrenzfähig bewegen. Ich glaub' jetzt nicht, dass das super realistisch ist, aber total von der Hand weisen darf man's auch nicht", bestätigte Wolff, dass auch eine verrückter Schachzug nicht ganz ausgeschlossen sei.
Die Vertragsauflösung mit Rosberg soll im Übrigen amikal abgewickelt werden. Das Arbeitspapier läuft bis 2018. "Wir werden das einvernehmlich lösen", sagte Wolff, ehe er sich auf den Weg nach Deutschland machte, wo ein Besuch des Mercedes-Benz-Werks in Sindelfingen anstand. Zu diesem Anlass hat sich auch Champion Rosberg selbst angesagt.