Vor 40 Jahren, am 1. August 1976, hing das Leben von Niki Lauda an einem seidenen Faden. Er besiegte den Tod und später auch seine Gegner.

Wenn man so knapp am Tod vorbeigeschrammt ist. Denkt man nach 40 Jahren an diesen Unfall zurück? Hat er irgendeine Bedeutung für Sie?
NIKI LAUDA: Eigentlich gar nicht. Wenn ich nicht permanent durch Fragerei danach erinnert werden würde, hätte ich das gar nicht so registriert. Als Rennfahrer ist so ein schwerer Unfall etwas, mit dem man sofort fertig werden muss. Wenn ich nicht 42 Tage danach damit abgeschlossen gehabt hätte, dann hätte ich nicht wieder ins Auto steigen und fahren können. Andere Leute schleppen so etwas das ganze Leben lang mit sich herum. Als Rennfahrer geht das nicht. Entweder du löst das Problem oder du hörst auf.

Was ist die prägendste Erinnerung daran?
LAUDA: Als die Ärzte gesagt haben, „wenn wir ihm Sauerstoff geben, dann stirbt er“. Da bin ich aufgeschreckt, habe mir gesagt, werd jetzt ja nicht ohnmächtig, sondern pass auf, was die tun.

Wie wichtig war es, nicht aufzugeben?
LAUDA: Es gab dann eben diese Diskussion mit dem Absaugen der Lunge. Als die Ärzte zu mir gesagt haben, das sei nicht angenehm, aber dass sie es machen müssen. Ich habe gewusst, dass es lebensrettend ist, und habe das dann so oft wie möglich gemacht. Kräfte zu entwickeln, war meine Konsequenz aus dem Wissen, wie es um mich wirklich steht. Aber ich glaube, da bin ich kein Einzelfall. Es geht darum, diese schweren Dinge mit Willen möglichst schnell aus der Welt zu schaffen. Das war die Überlebensstrategie, die ich damals gewählt habe.

Dann bereits nach 42 Tagen das Comeback in Monza . . .
LAUDA: Ich kam am Donnerstag an. Riesentheater. Überall Fotografen. Tausende Tifosi. Ich musste von einem Medizincheck zum anderen. Das hat mich unheimlich genervt, weil ich ja von meinen Ärzten das Okay hatte. Um sechs Uhr abends kam die Freigabe. Ich bin also am Freitag das erste Mal wieder auf die Strecke, schaltete in den zweiten Gang und habe mir beinahe in die Hose geschissen. Ich konnte nicht weiterfahren, bin ins Hotel und war ratlos. Es war eben alles zu viel. Und ich habe auch den größten Fehler meines Lebens begangen: Ich habe vergessen, zu Arturo Merzario zu gehen, der mich ja aus dem Auto gezogen hat, und mich dafür zu bedanken.

Wie hat es dann doch geklappt?
LAUDA: Ich habe mir gesagt: Stopp. Am Samstag werde ich ganz normal fahren, als ob da gar kein Rennen wäre. Kein Risiko, mich herantasten, nichts darauf geben, was die anderen Leute sagen. Und Vertrauen schaffen, dass ich das Auto kontrollieren kann. Plötzlich war ich Viertschnellster. Ich habe auf Carlos Reutemann (wollte Laudas Ferrari-Cockpit) und Clay Regazzoni (Ex-Ferrari-Teamkollege, Anm.) geschaut und ihnen gezeigt, dass ich zurück bin.

Ferrari misstraute Ihnen spürbar. Hatten Sie Angst, den Job an Reutemann zu verlieren?
LAUDA: Das spielte keine Rolle.

Aber getroffen hat Sie diese Haltung doch schon?
LAUDA: Deswegen bin ich dann ja bei der nächsten Möglichkeit ein Jahr später von Ferrari weggegangen. Weil es mich geärgert hatte, wie man mich dort damals behandelt hat. Im Nachhinein war das freilich ein Fehler. Ich hätte viel mehr gewinnen können, wenn ich geblieben wäre.

Zu Ihrer aktiven Zeit mussten Formel-1-Fahrer fast schon todesmutig sein. Gilt das heute noch?
LAUDA: Überhaupt nicht. Wir mussten uns mit der Gefahr auseinandersetzen und wussten, das jedes Jahr ein oder zwei tödlich verunglücken. Man musste es so sehen: Rennfahren muss eben so viel Spaß machen, dass du bereit bist, dafür zu sterben. Natürlich ist es heute immer noch gefährlich, mit Tempo 350 wo dagegenzufahren. Aber wenn die Fahrer heute zu viel jammern und das Risiko nicht mehr eingehen wollen, sollen sie Tennis spielen gehen. Das ist weniger gefährlich.

INTERVIEW: KARIN STURM, HOCKENHEIM