Mitte dieser Woche ist in Enstone, der britischen Formel-1-Enklave von Renault, ein Mitarbeiter unter zuerst mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Der Todesfall könnte mit Entwicklungsarbeiten am neuen KER-System zusammenhängen, wurde in der Formel 1 sofort getuschelt. Inzwischen ist jedoch bekannt, dass sich der Entwicklungsingenieur William Millar (53), seit 27 Jahren Teammitglied, selbst das Leben genommen hat . . .

Stromschlag. Aber die Formel 1 steht dennoch buchstäblich unter Strom. Seit die Zauberformel KERS verspricht, Energie und Kosten zu sparen und den Rennsport in eine umweltfreundlichere Zukunft zu lenken. Jenes KERS, das für K(inetic) E(nergy) R(ecovery) S(ystem) steht. Vereinfacht übersetzt heißt das, es soll beim Bremsen freigesetzte Energie aufgefangen, gespeichert und wiederverwertet werden, indem via Knopfdruck am Lenkrad ein kurzfristiges Mehr an Motorleistung von bis zu 80 PS abgerufen werden kann. Christian Klien hätte für BMW-Sauber vor zehn Tagen in Jerez zum ersten Mal KERS auf der Rennstrecke testen sollen. Als er nach drei so genannten Installationsrunden zurück kam und in die Box gerollt werden sollte, erhielt ein Mechaniker in jenem Moment, in dem er ans Lenkrad griff, einen gewaltigen Stromschlag.

Feuer am Dach. Der Bursche wurde vom Auto geschleudert (zu sehen im Internet auf youtube.com) und krümmte sich am Boden. "Er war kurzfristig benommen", meinte Klien, auf die etwaige Stärke des Stromstoßes angesprochen. Ob und wie KERS funktioniert, wollte BMW seither nicht mehr ausprobieren. Klien meinte nur, es sei "eine sehr, sehr komplexe Geschichte". Auch in der Red-Bull-Fabrik in Milton Keynes kam es zu einem Zwischenfall, als eine für das KERS neu entwickelte Batterie einen Brand ausgelöst hat und die gesamte Belegschaft evakuiert werden hat müssen. Und Honda-Testpilot Alex Wurz meinte, in Sachen KERS habe jedes Team "noch ein weißes Blatt Papier".

Falsche Richtung. Ab der Saison 2009 dürfen bzw. sollen KERS-Systeme in den Autos installiert sein. Sie werden zwar noch nicht zwingend vorgeschrieben. Aber der Automobil-Weltverband FIA droht andernfalls mit Straf-Handicaps wie Zusatzgewicht. Der dreifache Weltmeister und Formel-1-Analytiker Niki Lauda kann KERS allerdings überhaupt nichts abgewinnen. Es sei "ein Schritt in die falsche Richtung", die Formel 1 sei kein Problem für die Umwelt und eine grüne Formel 1 demnach "ein völliger Blödsinn." Lauda klipp und klar: "Die Formel 1 ist nicht dazu da, um die Welt zu retten."