Herr Lauda, wie würdig ist denn ein Weltmeister, der sich eine halbe Saison damit begnügt, nur noch seinen Punktepolster zu verwalten?
NIKI LAUDA: Genau so würdig, wie jeder andere auch. Weltmeister ist Weltmeister. Bis Sonntag war diese Kritik berechtigt. Nun gilt sie nicht mehr. Eine Weltmeisterschaft steht über allem. Da spielt es keine Rolle mehr, ob man in der vierten oder fünften Runde beim vierten oder fünften Rennen etwas anders machen hätte sollen.

Aber gerade Sie haben noch vor dem Rennen in Brasilien kritisiert, wie Jenson Button "dahin schwächelt" .
LAUDA: Sie haben völlig recht. Aber wie gesagt, das spielt nun keine Rolle mehr. Es war eine Saison mit sehr, sehr vielen Ups & Downs der drei Titelkandidaten. Drei Typen, mit Stärken und Schwächen. Aber am Ende war eben Jenson Button derjenige, der die wenigsten Fehler und die meisten Punkte gemacht hat. Deshalb ist er Weltmeister. So einfach geht das.

Sie waren aber auch derjenige, der bei Button die Souveränität anderer Weltmeister vermisst hat?
LAUDA: Stimmt auch. Andererseits hat der Typ sechs der ersten sieben Rennen völlig fehlerfrei gewonnen. Das haben wir nur heute allesamt schon wieder vergessen. Aber in dieser Phase war Button so souverän, da hätte sich sogar ein Michael Schumacher etwas abschauen können.

Was hat Sebastian Vettel in Summe falsch gemacht?
LAUDA: Wenn man bei Vettel überhaupt von falsch gemacht reden kann, dann höchsten davon, dass er mit seinem jugendlichen Leichtsinn vieles erzwingen wollte, vieles mit Gewalt gemacht hat. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Man muss den Hut ziehen vor diesem Burschen. Es war praktisch aus dem Nichts heraus seine erste richtige Saison.

Wenn wir dabei sind, muss man nicht vor dem gesamten Red-Bull-Team den Hut ziehen?
LAUDA: Selbstverständlich. Eine nahezu perfekte Saison. Wirklich viel hat Red Bull heuer nicht mehr falsch gemacht.

Nochmals zurück zum Anfang der Saison, zum Hickhack um den umstrittenen Unterboden an Jenson Buttons Auto - wie viel Anteil am WM-Titel hat denn diese Konstruktion?
LAUDA: Ich würde sagen, das spielt letztlich keine Rolle mehr. Entscheidend war, wie Ross Brawn (Teambesitzer, Anm.) in der Lage war, quasi aus der Konkursmasse von Honda ein derart tolles Auto zu bauen. Während die anderen Wappler, von Mercedes bis BMW, von Ferrari bis Renault, am Kers-System (Energierückgewinnung, Anm.) herum gedoktort und sich verzettelt haben, hat Brawn mit einem simplen, geraden Auto alle überrumpelt.

Umstrittene Autos, Lügen-Affäre um Lewis Hamilton, Unfälle auf Befehl - wie sehr hat die Formel 1 heuer einen nachhaltigen Schaden genommen?
LAUDA: Das ist das tolle an der Formel 1. Mehr oder weniger große Probleme werden zwar über Nacht zu Weltproblemen, sind am nächsten Tag aber schon wieder vergessen. Es hat heuer zwar ungewöhnlich viel Diskussionsstoff gegeben. Am Ende übrig geblieben sind aber nur Brawn, Red Bull und Jenson Button.

Apropos, was ist von den rigorosen Sparplänen noch übrig? Da ist es zuletzt ziemlich ruhig geworden. Wohin steuert die Formel 1 diesbezüglich?
LAUDA: Es ist nur deshalb ruhiger geworden, weil die vorgegebenen Sparpläne auf weitere zwei Jahre gestreckt wurden, also erst 2011 voll zu greifen beginnen. Brawn und Red Bull sind bereits entsprechend aufgestellt. Für alle, die bisher mit 300 Millionen Euro herumgeworfen haben, ist es schwieriger.

Freitag bekommt der Automobil-Weltverband einen neuen Präsident. Auf wenn tippen Sie?
LAUDA: Ari Vatanen läuft gegen die Hausmacht von Jean Todt an. Wenn nicht alle Stricke reißen, wird Jean Todt neuer FIA-Präsident. Es spricht auch nichts gegen ihn.