Können Sie uns die Atmosphäre bei Red Bull beschreiben? Glauben Sie, dass Sie derjenige sind, den sich das Team als Weltmeister wünscht?

MARK WEBBER: Wenn wir die WM gewinnen, werden alle wochenlang Kopfweh haben vom Feiern. Egal, wer von uns Weltmeister wird. Das Team verhält sich völlig neutral.

Sie hatten nie das Gefühl, dass insgeheim den meisten Sebastian Vettel lieber wäre?

WEBBER: Klar wurde kolportiert, Helmut (Marko, Anm.) würde Vettel bevorzugen, weil er zu ihm vielleicht eine engere Beziehung hat. Aber auch er wäre heute sehr happy, würde ich die Weltmeisterschaft gewinnen.

Haben Sebastian und Sie inzwischen gelernt, mit kritischen Situationen umzugehen?

WEBBER: Ich bin schon zu lange in diesem Geschäft. Du kannst nicht in den nächsten Shop gehen und dir fünf Wochen Lebenserfahrung kaufen. Die musst du selbst machen. Ich sage nicht, Sebastian ist unreif oder rücksichtslos. Ja, die Türkei (Kollision mit Vettel, Anm.) war sicher auch für mich schlecht, aber so etwas kann einfach passieren.

Ist es nur die Erfahrung, von der Sie heuer profitieren?

WEBBER: Sie hilft auf jeden Fall. Und wenn du ein großartiges Auto hast, so wie ich jetzt, musst du auch Resultate bringen.

Erwarten Sie irgendwann klare Worte des Teams?

WEBBER: Wenn die Sache außer Kontrolle gerät, werden wir sicher reden. Aber wir rudern alle in einem Boot in für uns neuem Wasser. Für mich ist das heuer eine einzigartige Gelegenheit, die ich vielleicht nie wieder bekomme. Ich kann dennoch nicht sagen, "Hey, Seb, lass mir diese Chance, du hast doch noch zehn Jahre oder mehr".

Ganz ehrlich, würden Sie sich mit Vettel zum Abendessen an einen Tisch setzen?

WEBBER (lächelt): Was immer heuer passiert, werden wir einander danach die Hand reichen. Ich werde am Jahresende die Hände von allen schütteln. Denn diese Saison ist doch großartig. Für uns alle, für die Formel 1, für den gesamten Sport.

Haben Sie eigentlich schon einmal über Ihre Zeit in der Formel 1 hinaus gedacht?

WEBBER: Ich plane immer nur ein Jahr voraus. Fürs Aufhören musst du den richtigen Moment finden, in jeder Karriere. Wenn sie abwärts geht, erlischt das Feuer. Wenn du das Kribbeln im Bauch nicht mehr spürst, bist du hier am falschen Ort. Es ist wichtig, aufzuhören, wenn du noch schnell bist. Ich freue mich auf das nächste Kapitel meines Lebens. Es wird der Montagmorgen kommen, an dem ich aufstehe und beschließe, etwas anderes zu machen. Ich bin im Kopf sehr frei, was meine Zukunft betrifft.

Sie haben also auch noch keinerlei Vorstellung, ob sie dem Rennsport oder Red Bull irgendwie erhalten bleiben?

WEBBER: Mit jungen Rennfahrern zu arbeiten und ihnen zu helfen, wäre eine tolle Aufgabe. Es war für mich auch faszinierend, meine Teamkollegen zu beobachten, David (Coulthard, Anm.) am Ende seiner Laufbahn, Sebastian am Anfang. Teamchef wäre mir allerdings eine zu politische Tätigkeit. Natürlich könnte ich gut für Red Bull arbeiten. Was Red Bull für mich getan hat, als ich mir das Bein gebrochen habe (Radunfall im Dezember 2008, Anm.), war einzigartig, das werde sicherlich ich mein Leben lang nicht vergessen.

Noch einmal zur Formel 1. Wer wird bis zum Schluss im Titelrennen bleiben?

WEBBER (verzeiht die Mundwinkel): Ob zwei, fünf oder acht Leute vorne liegen, ist doch eigentlich belanglos. Müsste ich jedoch wetten, würde ich sagen, drei bleiben bis zum Schluss übrig. Aber für mich ist nicht wichtig, Singapur heute Abend als Führender zu verlassen. Entscheidend ist doch einzig, am Ende vorne zu sein.