Darf man einfach mit der Tür ins Haus fallen? Zerbröselt Red Bull gerade die Überlegenheit des ersten Saisondrittels?
HELMUT MARKO (etwas erstaunt): Nein, wieso? Dass Montreal und Valencia nicht unsere Strecken sind, haben wir von vorneherein gewusst. Und dennoch muss man selbst das relativieren. Sebastian Vettel haben in Montreal vier Sekunden gefehlt. Dann wäre er vor Hamilton aus der Box zurückgekommen und alles hätte ganz anders ausgesehen. Außerdem hatte Vettel wieder ein Problem, es ist Getriebeöl ausgeronnen.

Aber die Konkurrenz, vor allem McLaren, ist näher gekommen. Hat Red Bull noch immer das schnellste Auto?
MARKO: Ganz sicher. Obwohl wir keinen F-Schacht (ein kleiner Luftkanal, über den der Rennfahrer die Aerodynamik verändern kann, Anm.) haben und keinen Mercedes-Motor haben. Hier in Valencia probieren wir den F-Schacht wieder. Wenn's klappt, bringt das drei Zehntel pro Runde.

Die vielen kleinen Probleme sind die der Preis für ein schnelles Auto?
MARKO: Mark Webber hat als einziger Pilot in allen acht Rennen gepunktet. Vettel hingegen hatte nur in zwei von acht Rennen kein Problem. Und es ist nicht nur jedes Mal etwas anderes, es sind Probleme, die wir vorher nie hatten.

Dass Red Bull die Haltbarkeit des Autos dem Tempo opfert, lassen Sie also nicht gelten?
MARKO: Nein, lasse ich nicht. Obwohl wir die Richtung unserer Entwicklung nun etwas modifiziert haben. Wir wägen genauer ab. Die Standfestigkeit wird in den Vordergrund gerückt.

Wie ruhig oder unruhig ist es im Team, verglichen mit der Zeit vor dem ungeschickten Crash in Istanbul?
MARKO: Es gibt überhaupt nichts Unruhiges. Die Sache ist geklärt. Auch wenn die Chance, dass Vettel und Webber miteinander Abendessen gehen, inzwischen vielleicht etwas geringer ist.

Sie haben ziemlich schnell Mark Webber die Schuld am Unfall gegeben. Später war Vettel offenbar doch nicht so ganz unschuldig.
MARKO: Wie gesagt, das Thema ist geklärt, etwas anderes werden Sie von mir nicht hören.

War das Krisenmanagement von Red Bull so, wie es hätte sein sollen?
MARKO (lacht): Man glaubte, dass so etwas zwischen Schumacher und Rosberg passiert, aber nicht bei uns. Die Situation und das ganze Drumherum waren unglücklich. Wir haben daraus gelernt.

Haben Sie daneben eigentlich mitbekommen, was in Le Mans passiert ist?
MARKO: Ja, sie haben den Rekord von meinem Le-Mans-Sieg (5335,313 km aus dem Jahr 1971, Anm.) überboten.

... und zwar gleich alle drei erstplatzierten Audi. Man hat doch gedacht, aufgrund der neuen Schikanen wäre das ein Rekord für alle Ewigkeit?
MARKO (erstaunt): Was, alle drei? Naja, das ist die sparsame Diesel-Technologie. Weniger oft Nachtanken bringt Zeit und somit Kilometer.