Eine Taxifahrt vom "Indira Gandhi Airport" in die Innenstadt von Neu Delhi muss an einem Schalter in der Ankunftshalle im Voraus bezahlt werden. Sie dauert eine gute halbe Stunde und kostet nur 350 Rupien, rund fünf Euro. Der Bruder des Fahrers zwängt sich noch zwischen uns. Vom Weg ins Hotel hat allerdings auch er keinerlei Ahnung.

Der kleine, uralte, klapprige Bus vom indischen Suzuki-Ableger Maruti, mit dem tagsüber vermutlich das Gemüse auf den Markt geführt wird, ächzt. Es ist weit nach Mitternacht. Wir fahren "Kampflinie" gegen Lkw, Zickzack durch Motorräder und streunende Hunde, an Bergen von Müll und Bretterverschlägen am Straßenrand, hinter denen Menschen leben, vorbei. Und wir rumpeln mitten in der Stadt über Schotterstraßen. Aber es waren nur die Fragmente einer völlig anderen Welt.

Die nach Buddha benannte "Buddh International Circuit", Indiens um 300 Millionen Euro gebaute erste Formel-1-Rennstrecke liegt im Industrie-Bezirk Greater Noida, rund 60 Kilometer von der Innenstadt von Neu Delhi entfernt. Etwa in jener südöstlichen Richtung, in der am Vormittag die über 30 Grad heiß scheint. Eine Orientierungshilfe war das allerdings nicht. Bipan, unser vom Hotelportier engagierter und penibel instruierter Taxifahrer, hat nämlich keinen blassen Schimmer, wo Noida liegt, geschweige denn, was eine Rennstrecke ist.

Bipan ist die Höflichkeit in Person. Aber er spricht praktisch kein Englisch. Fährt, warum auch immer, zumeist in die genau entgegengesetzte Richtung der Sonne und unserer immer hilfloser werdenden Ratschläge. Über die Stadtautobahn trotten jetzt auch einige Kühe. Der Verkehr stockt trotz eines gestrigen Feiertages. Zum Fenster betteln hungrige Kinderaugen herein.

Bipan drückt inzwischen wechselweise Gaspedal und Hupe durch. Viel weiter bringt uns das auch nicht. Immer wieder drehen wir mitten auf sogenannten Schnellstraßen um. Bipan bleibt hier stehen, bleibt dort stehen, fragt diesen und jenen Inder. Ohne Erfolg. Also von wegen, frag' doch den Inder...

Weiter im Kreis

Selbst als sich unter dem irgendwie über das ganze Land geblasenen feinen Staub die Konturen von Tribünen und Boxenkomplexen der Rennstrecke abzeichnen, sind wir noch lange nicht am Ziel. Weil auf Taxischeiben die vorgeschriebenen Aufkleber fehlen, drehen wir uns weiter im Kreis. Am Ende hat die Odyssee drei Stunden gedauert. Trotzdem haben wir Bipan jetzt bis Sonntagnacht um 8000 Rupien, etwa 115 Euro, unter "Vertrag" genommen.

Für Bipan ist das ein in nur vier Tagen verdienter Batzen Geld. Der von der Regierung festgelegte Mindestlohn in Indien beträgt monatliche 3800 Rupien, 58 Euro. Und das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 38.000 Rupien. Die "billigsten" Formel-1-Tickets beim heutigen ersten Training kosten 2400 Rupien, für die teuersten am Rennsonntag müsste ein Inder seinen Monatslohn hinblättern.

Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, der vor zwei Wochen noch ernsthaft gefürchtet hat, mit seinem Zirkus an eine Baustelle zu kommen und das Rennen womöglich absagen zu müssen, ist inzwischen begeistert. "Es wurde Großartiges geleistet. Wir hätten schon vor Jahren nach Indien kommen müssen", schwärmte Ecclestone in höchsten Tönen, noch ehe wohl erst wenige Minuten, bevor heute das erste Formel-1-Auto auf die Strecke fährt, die letzten Bauarbeiter verschwinden werden.

Der neue "Greens Sport City Complex" mit Grand-Prix-Kurs, einem Cricket-Stadion für 25.000 Zuschauer und Sport-Universität soll schon bald 120 Millionen Euro Jahresumsatz machen und 10.000 Menschen Arbeit bieten. "Hier entsteht eine neue, hochmoderne Stadt", sagt Samir Gaur, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft "Jaypee Sports International", stolz. So gesehen gut, dass Bipan und Hunderte andere Taxifahrer seit Donnerstag wissen, was eine Rennstrecke ist und wo sie ungefähr liegt.