Liu Xuhui war als Korrespondent der "Beijing Times" beim Grand Prix. Aber die Formel 1 ist im wahrsten Sinn des Wortes an ihm vorüber gefahren. Zuerst hat er sich auf seinem Computer einen Videofilm angeschaut, dann ist die Internet-Verbindung gerissen, was ihn zwei Stunden lang beschäftigt hat. Sein Kollege Yuhua Lu hat daneben auf dem Schreibtisch tief und fest geschlafen.

Die Landsleute der beiden Herrschaften haben sich im letzten Augenblick doch noch für die Formel 1 interessiert. Die gigantische Tribüne bei Start & Ziel mit ihren 29.000 Sitzplätzen war über Mittag von einer Stunde auf die andere voll. Und dementsprechend artig hat sich später der Sieger bedankt.

Die Reifenwahl

Lewis Hamilton ist vom Cockpit auf sein Auto gestiegen, hat die Hände vor der Brust gefaltet und sich vor den Menschenmassen verneigt. Wie es sich für China gehört. Nach zwei Siegen - vier in Folge, rechnet man das letztjährige Saisonende dazu - und den drei heurigen Polepositions von Red Bull und Weltmeister Sebastian Vettel ist im dritten Saisonrennen zum ersten Mal ein anderer ganz hinauf gestiegen.

Bereits in Australien & Malaysia sind die beiden McLaren Vettel am nächsten gekommen. Erwischt haben sie ihn nicht. Also haben sie es mit den Reifen und mit einer anderen Strategie probiert - und diesmal hat es geklappt.

Bereits nach einem Start, der "garantiert schon einmal besser war" (Vettel), sind beide McLaren in Führung gelegen. Zuerst Jenson Button, der später irrtümlich zur Red-Bull-Box "abgebogen" und hinter Vettel zurückgefallen ist. Aber bereits, als Vettel das halbe Rennen erst wieder wie der Sieger ausgesehen hat, war klar, dass er an diesem Tag mit einer Harakiri-Strategie unterwegs sein sollte.

Die Aufholjagd

Für Vettel waren nur zwei Reifenstopps vorgesehen. Die harten Pirelli-Gummis hätten ihn über 25 Runden, beinahe die Hälfte der Distanz, bringen sollen. Haben sie aber nicht getan. Während Lewis Hamilton, nach Problemen mit der Benzinzufuhr erst in den letzten Sekunden an den Start gekommen, sein Rennen "geviertelt" hat und vier Runden vor Schluss mühelos an Vettel vorbei geflogen ist.

Der wahre "Mann des Rennens" ist aber zwei Treppchen unter Hamilton gestanden: Mark Webber. Seit Wochen hat er sich mit Pannen über Pannen herumschlagen müssen, war auch im Qualifying von Elektrikproblemen und falscher Reifenwahl gebremst worden und nur auf dem 18. Startplatz gestanden. Als Einziger im Finish auf weichen Reifen, hat sich Webber sogar auf Platz drei gekämpft.