Herr Haug, können Sie zu Beginn den Stellenwert, den der Motorsport für Mercedes-Benz hat, beschreiben?

NORBERT HAUG: Meine Güte, unsere Silberpfeile haben doch eine längere Geschichte als jede andere Automarke. Das erste Auto mit dem Namen Mercedes war ein Rennauto.

Eine Diskussion, ob Motorsport ja oder nein, gibt es im Konzern derzeit also nicht?

HAUG: Nein, die gibt es nicht. Was aber nicht heißt, dass sich Mercedes für immer und ewig zur Formel 1 bekennen muss. Es gibt natürlich keinerlei Garantien, dass das auf ewige Zeiten durchgewunken wird.

Wie sehr hinterfragt Ihr Vorstand gerade in diesen Wochen die Formel 1?

HAUG: Bei uns wird alles immer wieder hinterfragt, so etwas ist doch normal. Aber derzeit ist die Begeisterung riesengroß.

Die Erwartungen an die heurige Saison waren es auch. Waren sie zu groß?

HAUG: Wir waren überzeugt, in die richtige Richtung zu arbeiten. Wir wollten im Qualifikationstraining weniger als eine Sekunde Rückstand haben, das wäre schon ein Erfolg gewesen.

Zumindest auf Augenhöhe mit Ferrari und Renault zu fahren, müsste doch Anspruch von Mercedes sein?

HAUG: Wir wollen immer so weit vorne wie möglich sein.

Wie sehr hat Sie die Dominanz von Red Bull geschockt?

HAUG: Geschockt hat uns das gar nicht. Wir haben gewusst, dass sie sehr schnell sein werden. Aber Dominanzen gab es in der Formel 1 immer wieder. Auch jene von Red Bull wird einmal zu Ende gehen.

Im Vorjahr hieß es, euer Auto würde nicht zum Fahrstil von Michael Schumacher passen. Das heurige Modell wurde quasi an Schumacher angepasst . . .

HAUG: Bei den Testfahrten waren das Auto und Michael auch so etwas wie Freunde. Inzwischen haben sie sich jedoch wieder etwas entfreundet.

Welches Ziel kann sich Mercedes aus heutiger Sicht überhaupt noch stecken?

HAUG: Unsere Latte ist der Sieg, daran hat sich nichts geändert. Ich weiß nicht, ob wir das noch schaffen können. Aber wir wollen uns zumindest Schritt für Schritt nähern.

Sie haben Michael Schumacher zurück in die Formel 1 geholt. Wie viele schlaflose Nächte hat Ihnen das schon bereitet?

HAUG: Ganz im Gegenteil. Wenn alles zusammenpasst, würde Michael auch jederzeit wieder Rennen gewinnen.

Sein Sieger-Gen, von dem früher so oft die Rede war, hat er also nach wie vor?

HAUG: Selbstverständlich. Dazu ist Michael heute viel authentischer. Er kommt unglaublich gut rüber. Man darf nie vergessen, dass er nicht nur einer der besten Formel-1-Fahrer aller Zeiten ist. Michael Schumacher ist wahrscheinlich eines der Top-10-Lebewesen dieser Erde.

Gibt es Zahlen dafür, was Schumacher der Marke Mercedes bisher gebracht hat?

HAUG: Müssten wir im Gegenwert dafür klassische Werbesports im TV oder Inserate in Zeitungen und auf Websites schalten, es wären die 20-fachen Kosten unseres gesamten Budgets.

Mercedes hat mehr als die Hälfte der heurigen Formel-1-Piloten großgezogen. Stimmt das?

HAUG: Vielleicht ist großgezogen nicht der richtige Ausdruck. Aber 16 der 24 Piloten im Feld haben schon in irgendeiner Form mit uns zu tun gehabt. Darum beneidet uns die ganze Welt.

Was sagen Sie eigentlich zu Sebastian Vettel?

HAUG: Er war zu seinen Formel-3-Zeiten für mich nicht der zwingende Dauersieger. Aber er hat sich enorm gesteigert, wächst mit der Aufgabe.

Sie wollten Vettel Mercedes schmackhaft machen?

HAUG: Ich habe mit ihm einmal gesprochen. Aber das war vor, ich denke vier Jahren.

Heuer nicht?

HAUG: Nein, heuer nicht. Wobei ich festhalten will - Sebastian Vettel hat Mercedes großgezogen. Aber wir haben kein Fahrerproblem. Wir brauchen nur ein Auto, mit dem unsere Fahrer auch gewinnen können.

Sie kommen mit der DTM heuer wieder auf den Österreichring zurück. Haben Sie den neuen Ring schon gesehen?

HAUG: Nein, aber ich habe vom Ring nur Gutes gehört. Mercedes, Audi, ab dem nächsten Jahr auch BMW, da könnt ihre euch drauf freuen, denn das sind richtig geile Autos.