Mister Newey, wenn Sie eine Idee für irgendeinen Teil eines Rennautos haben, springen Sie dann auch mitten in der Nacht auf und beginnen sofort zu zeichnen?

ADRIAN NEWEY (lacht auf): Primär hängt ja alles vom Reglement ab. Vor zwei Jahren zum Beispiel, das waren schon riesige Änderungen. Da beginnst du mit einem weißen Blatt Papier und kannst alles vergessen, was zuvor war. Heuer war das anders, die Änderungen waren nicht so signifikant, die Basis des Autos ist noch jene von 2009.

Es stimmt also, dass Sie nicht auf dem Computer, sondern mit der Hand zeichnen? Wie viele solche weißen Blätter Papier braucht man denn für ein Auto?

NEWEY (lacht wieder): Sehr, sehr viele. Erste Entwürfe fallen dir ja noch relativ schnell ein. Aber dann geht es oft langsam, Schritt für Schritt. Schließlich muss man auch immer nach den Schlupflöchern im jeweiligen Reglement suchen. An manchen Punkten ist es sinnvoller, aufzuhören, wenn man keine Lösung findet, und vielleicht erst eine Woche später weiter zu machen.

Haben Sie immer schon Rennautos konstruiert?

NEWEY: Ja, eigentlich schon. Nach meinen Jahren an der Universität konnte ich ziemlich schnell als Aerodynamiker und Junior-Designer beginnen.

Wenn es um Entscheidungen geht, treffen Sie diese alleine? Oder hören Sie sich vorher auch andere Leute an?

NEWEY: Ich habe nicht die Zeit, mich um jedes kleine Detail selbst zu kümmern. Ich muss mich auf die Fähigkeiten meiner Kollegen in Milton Keynes (Red-Bull-Fabrik, Anm.) verlassen können. Manche Entscheidungen fallen ohne meine Beteiligung, manche nach Beratung und andere wieder werden von mir völlig alleine getroffen.

Wann beginnen Sie, ein neues Formel-1-Auto quasi geistig zu entwerfen? Haben Sie jenes für das nächste Jahr zum Beispiel heute schon im Kopf?

NEWEY: Die größte Änderung in der Formel 1 im Vergleich zu früher ist, dass es keine ruhigen Tage mehr gibt. Bis Mitte der 90er-Jahre gab es während der Saison nicht viel zu tun. Einmal ein neuer Flügel hier, dann ein neuer Seitenteil dort. Jetzt wird laufend an neuen Details gearbeitet. Ab Mai mache ich mir Gedanken über das nächste Auto.

Viele meinen, der heurige Red Bull könnte das beste Auto sein, das Sie je gebaut haben?

NEWEY: Er war im ersten Rennen das beste Auto. Der Standard ist allerdings sehr hoch. Und wir haben keine Garantie, dass wir etwa auch hier in Malaysia und gar die ganze Saison über das schnellste Auto haben. Um das beste Auto zu haben, muss das ganze Paket stimmen. Und da spielen viele Faktoren mit.

Stichwort Faktoren. Wie eng arbeitet ein Designer mit den Motoringenieuren zusammen?

NEWEY: Wir haben mit den Leuten von Renault zumindest einmal pro Monat ein formelles Meeting. Informell gibt es laufend Gedankenaustausch. Wir wachsen auch mit Renault mehr und mehr zusammen.

Und zu welchem Prozentsatz sind die Piloten am Auto beteiligt? Oder sind das zu 100 Prozent Ihre Ideen?

NEWEY: Das Feedback der Fahrer ist natürlich wichtig. Es liegt dann allerdings an uns, welche Schlüsse wir daraus ziehen und was wir anhand dieser Eindrücke verbessern können.

Sie arbeiten nun schon drei Jahrzehnte in der Formel 1. Getrauen Sie sich zu sagen, welches Ihr bestes Auto gewesen ist?

NEWEY: Ich denke, der March-Leyton House von 1988, weil wir damals nur ein sehr kleines Design-Team waren und es für uns alle so etwas wie die Formel-1-Premiere war. Dieser Wagen hat in gewisser Weise die Richtung der Formel 1 mit beeinflusst. Und dann jener Williams zu Beginn der 90er-Jahre, mit dem ich als Konstrukteur die ersten Rennen und den ersten WM-Titel gewinnen konnte.

Am meisten zerbricht sich die Formel 1 seit Jahren über das Überholen den Kopf. Wenn Bernie Ecclestone bei der Türe hereinkommen und Sie fragen würde, was würden Sie ihm vorschlagen, wie sich Formel-1-Autos leichter überholen könnten?

NEWEY: Ich würde ihm raten, mit dem dummen Gerede aufzuhören. Wenn Überholen zu leicht ist, ist es nicht gut. Und wenn zu wenig überholt wird, passt es auch nicht. Überholen war in der Formel 1 nie wirklich leicht und ich sehe es auch nicht als großes Problem.