Red Bull weiß, wie man gewinnt, keine Sorge

Man müsse es ja "nicht so blöd machen", wie Ferrari im heurigen Sommer in Hockenheim, ist Niki Lauda mit dem Begriff Stallorder inzwischen vorsichtiger geworden. Gesagt ist damit dennoch alles. Für die ganze Welt sicht- und hörbar ist Fernando Alonso damals am führenden Felipe Massa vorbeigelotst worden. Sieben WM-Punkte plus, von denen jeder einzelne Sonntag am Abend noch Goldes wert sein könnte.

Und wird im Fall der Fälle, wenn Alonso bereits in seinem ersten Jahr bei Ferrari Weltmeister wird, noch irgendjemand von Hockenheim reden? Nein, wird nicht. Außer vielleicht ein paar Obermoralisten. Aber ihre Einwände wird man nicht hören. Für Sentimentalitäten ist kein Platz in einer der kostspieligsten und aufwendigsten, sterilsten und eitelsten Sportarten der Welt. Es geht um einen der wertvollsten Titel des Sports. Formel-1-Weltmeister wird man nicht jeden Tag. Gerhard Berger zum Beispiel ist 210 Grand Prix gefahren. Weltmeister geworden ist er nie. Nicht zuletzt deshalb, weil er in seinen besten Jahren bei McLaren hinter Ayrton Senna zurückstecken hat müssen.

Red Bull ist Konstrukteurs-Weltmeister. Na und? Davon wird Sonntag keine Rede sein, wenn sich Sebastian Vettel und Mark Webber abermals vor der Nase herumtanzen sollten und Alonso der lachende Dritte wäre. "Dann werden wir halt nächstes Jahr Weltmeister", sagt Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz salopp. Aber wer, bitteschön, garantiert ihm das? Wer garantiert ihm, dass Red Bull jemals noch Weltmeister wird?

Genau aus diesem Grund wird sich Red Bull die Chance nicht entgehen lassen. Jeden Meter, jede Sekunde des morgigen Grand Prix wird Red Bull abwiegen und versuchen, strategisch zu reagieren. Das hat nichts mit Stallorder zu tun, das ist in der Formel 1 "business as usual". Alles andere wäre fahrlässig und unprofessionell.

Und wenn die beiden Teamchefs, Christian Horner und Helmut Marko, ihren Piloten ins Gewissen reden, dass sie letztlich "für das Team fahren" und dass man von beiden erwarte, zu wissen "was sie wann zu tun haben", dann ist alles gesagt. Man muss sich nicht zur Stallorder bekennen, man muss nur wissen, wie in der Formel 1 gewonnen wird. Und Red Bull weiß das, keine Sorge.

Ehre, Fair Play und die Ethik des Sports

Die Formel 1 gibt Millionen aus, Red Bull Racing so um die 150 Millionen Euro im Jahr. Diese Schätzung ist ziemlich exakt. Da wird wohl der Chef entscheiden dürfen, wer der Herzbube ist und Weltmeister werden darf. War zahlt, der befiehlt. Wer das Geld hat, der schafft an.

Stopp. Halt. Ruhm und Ehre, wie steht es damit? Fair Play und Sportlichkeit. Und damit? Warum soll das in der Formel 1 nicht gelten. Wer den Konkurrenten nicht auf der Straße überholen kann, der hat auch keinen Sieg verdient. Und schon gar keinen WM-Titel. Allzu große Moralisten werden vielleicht deswegen hämisch belächelt: aber wo bleibt denn die Ethik, wenn der Bessere nicht mehr gewinnen darf.

Sind denn alle Wehklagen nach dem Ferrari-Schurkenstück mit Michael Schumacher und Rubens Barrichello verstummt, als Ferrari-Rennleiter Jean Todt damals auf dem A1-Ring befahl: "Let pass Michael for the championship." Sind plötzlich alle für die Stallorder, die heuer auf dem Hockenheimring noch Zeter und Mordio gerufen haben, als Alonso an Massa vorbei dirigiert wurde.

Red Bull ist nun ein Team, dass trotz der oben erwähnten Ausgaben dennoch etwas von der alten Romantik des Motorsports versteht und eine Stallorder schlichtweg ablehnt. Sie haben schließlich zwei Fahrer im Rennen. Die sich zwar mitunter das Leben schwer gemacht haben in diesem Jahr. Die vielleicht nach vielen Monaten der Gemeinsamkeit kaum noch miteinander reden. Aber, dass Vettel und Webber noch im WM-Finale um die Krone streiten, haben sie sich redlich verdient. Mit ihrem Auftreten, mit ihren Leistungen, die nun einmal auf Augenhöhe sind. Und das Team spielt sich da nicht auf, mischt sich nicht ein. Die Bosse waren auf Harmonie aus, vollzogen so weit es geht Gerechtigkeit, auch wenn insgeheim der eine vielleicht mehr im Vettel- als im Webber-Lager steht. Und umgekehrt.

Das Mitleid mit Freunden der Sportwetten hält sich in der Formel 1 in Grenzen. An die wird vermutlich nicht einer einen Gedanken verschwenden und den Sieg dennoch dem "Lieberen" schenken. Aber in Schweden haben die staatlichen Wett-anbieter die Formel 1 schon aus dem Programm genommen. Was niemanden stört.