Seit eineinhalb Jahrzehnten trifft sich Mercedes zum Auftakt des neuen Formel-1-Jahres zu einer Art "Warm up" in St. Kilda, dem berühmten Strandviertel im Süden Melbournes. Ewig lange war man Stammgast im "Stoke House", einem Kultrestaurant direkt am Meer. Im Jänner, an einem der Hitzetage mit Temperaturen bis an die 45 Grad, ist das "Stoke House" lichterloh abgebrannt.

Mercedes war bereits im Vorjahr ein Haus weiter, ins geschichtsträchtige Seebad von St. Kilda, gezogen. Als wollte man völlig neu beginnen. Mit drei Rennsiegen und Rang zwei in der Marken-WM wurde Mercedes daraufhin zur zweiten Macht hinter Red Bull. Am Freitag in der Früh fahren die beiden "Silberpfeile" als WM-Favoriten ins erste Training des neuen Jahres.

"Wir haben viel getestet. Wir sind gut vorbereitet. Aber wo wir tatsächlich stehen, darüber diskutieren wir bitte Sonntag am Abend", sagt Toto Wolff, österreichischer Rennleiter bei Mercedes. Um sich im nächsten Satz, gefragt, ob er sein Team als Titelfavorit sehe, zwar nicht dezidiert festzulegen, aber jedenfalls "sehr guter Dinge" zu sein. Und dazu auch aufzulisten: Mercedes habe zwei der schnellsten Piloten. Zwei der intelligentesten Piloten. Die meisten Testkilometer abgespult. Die wenigsten Probleme gehabt. Und die meisten Bestzeiten verbucht.

Neue Teile

"Aber was die Tests wirklich bedeuten, wissen wir nicht", sagt Toto Wolff. Denn auch Mercedes konnte von sechs gestarteten Rennsimulationen nur zwei zu Ende fahren. Und auch Mercedes ist die Zeit, sich für die größte Reform der jüngsten Formel-1-Geschichte zu rüsten, davongelaufen. "In der Fabrik in England sind Freitag am Abend die letzten Teile fertig geworden. Samstag sind wir nach Melbourne geflogen", sagt Nico Rosberg. "Jeder von uns hat noch eine Kiste mit Autoteilen ins Flugzeug mitgenommen", sagt Wolff.

Lewis Hamilton, mit McLaren 2008 Weltmeister, will sich vor seinem zweiten Mercedes-Jahr nicht als WM-Favorit ("Naja, wenn ihr das meint") sehen. Für alle anderen ist Mercedes vorerst aber Maß der Formel 1. Auch für Red Bull, vierfacher Doppel-Weltmeister der letzten vier Jahre. Und fast so, als wollte man sich für einen übermächtigen Gegner rüsten, ist Daniel Ricciardo auf der Luftwaffen-Basis von Sale gegen einen Kampfjet der "Royal Australian Air Force" angetreten. "Für das Rennen in Melbourne würde ich mein Geld auf Mercedes setzen", sagt Ricciardo. "Für Melbourne ja. Aber das Jahr dauert lange. Nach drei, vier Rennen wissen wir mehr", sagt Weltmeister Sebastian Vettel.