Herr Sauber, seit genau 20 Jahren schwimmen Sie mit ihrem Team im Haifischbecken der Formel 1. Mit allen Höhen und Tiefen. Können Sie ein ganz persönliches Resümee ziehen?

PETER SAUBER: Mein Gott, das Wort Haifischbecken habe ich nie gebraucht. Man sollte nicht Tiere bemühen, wenn es um Menschen geht. Höhen und Tiefen? Natürlich gab und gibt es die. Aber Höhen und Tiefen sind doch zwei ganz wichtige Dinge, die den Sport so attraktiv machen.

Wie kommt man aus einem Tief? Nur mit Arbeit, oder braucht es ganz einfach Glück oder ein besonderes Rezept?

SAUBER: Arbeit ist ganz sicher damit verbunden. Das ist klar. Es braucht Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen. Und die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen. Sonst funktioniert das nicht.

Können Sie das Wort Risiko konkretisieren?

SAUBER: Finanzielle Risiken freilich. Die sind in der Formel 1 schon groß, vor allem wenn man keinen Hersteller zur Seite hat oder jemanden, der viel Geld hat.

Wann hatten Sie das Gefühl, es geschafft zu haben? Wann war der Punkt da, als sie überzeugt waren, nicht mehr zu verlieren?

SAUBER: Der ganz entscheidende Punkt war der Verkauf der Mehrheitsanteile an BMW 2005. Da war ich 62. Das war für mich der ideale Zeitpunkt, eine runde Sache.

Sie hatten davor aber auch immer recht potente Sponsoren?

SAUBER: Ja, genau. Wir hatten Red Bull über zehn Jahre, Petronas über 15 Jahre. Das waren sehr schöne Sponsoren. Es gab sicher Situationen, wo wir uns nur über Wasser gehalten haben. Es gab aber auch Jahre, in denen wir mit einem ordentlichen Budget arbeiten konnten. Wir sind 2001 mit Heidfeld und Räikkönen Vierter in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft geworden. Das ist für ein Privatteam schon sehr gut.

Gab es irgendwann den Punkt, wo Sie geglaubt haben, jetzt geht es nicht mehr weiter?

SAUBER: In der Formel 1 eigentlich nicht. Die schwierigste Situation war nach dem Rückkauf des Unternehmens von BMW 2009. Da war viel Risiko dabei.

Rückblick an 1994, der schwarze Tag in Imola mit den tödlichen Unfällen von Senna und Ratzenberger, dann der Unfall von Karl Wendlinger in ihrem Auto in Monte Carlo. Waren diese Tage nicht auch für Sie ein Tiefpunkt?

SAUBER: Diese Zeit, 1993 und 1994, war schwer. Das hat mit dem Unfall nicht so viel zu tun. Dass Mercedes nach der Sportwagen-Ära nicht mit uns in die Formel 1 gegangen ist, war eine herbe Enttäuschung. Die intensive Suche nach Sponsoren war schwer.

Sauber gilt als Talentschmiede, es gab stets ein Kommen und Gehen verschiedener Fahrer . . .

SAUBER: Das liegt auf der Hand, wenn man ein Team ist, das für junge Fahrer gut ist. Wenn ich einen Fahrer engagiert habe und nächstes Jahr kam ein großes Werk, das den Fahrer haben wollte, dann war das ein Kompliment. Das Schwierige ist bei jungen Fahrern das Fehlen der Erfahrung. Die kann man nicht kaufen.

Welcher Fahrer war ihre Entdeckung, gibt es da Namen?

SAUBER: Ui, da gab es viele. Ich habe damals Schumacher den Weg in die Formel 1 geebnet. Das war noch die Zeit mit Mercedes. Da hoffte ich, dass er vielleicht einmal zurückkäme. Aber das ging dann irgendwann nicht mehr. Es gab Räikkönen, Massa, Kubica. Und jetzt gibt es Sergio Perez.

Sie wollen sich mit Ende des Jahres zurückziehen . . .

SAUBER: . . . wer hat das gesagt?

. . . das liest man in einschlägigen Medien seit Monaten.

SAUBER: Da wird viel interpretiert. Nein. Als ich das Unternehmen von BMW zurückgekauft habe, war klar, dass Monisha Kaltenborn die Geschäftsführung übernehmen wird. Ich habe auch gesagt, dass ich mit 70 nicht mehr an der Boxenmauer stehen möchte. Das wäre im Oktober nächsten Jahres. Wir haben uns geeinigt, ich bin mit mir im Reinen. Nur der exakte Zeitpunkt, wann Monisha Teamchefin wird, ist noch offen.

Der Wechsel ist absehbar. Nun ist aber Sauber gerade jetzt so gut wie noch nie, mit Perez auf Platz zwei in Malaysia.

SAUBER: Wir haben ein gutes Produkt. Das stimmt. Zum großen Sieg fehlt noch was. Es passieren immer wieder Fehler. Es fehlt vielleicht noch immer Erfahrung auf beiden Seiten.

Das heißt, Ihnen fehlt ein großer Fahrer, wie etwa ein Alonso?

SAUBER: Träumen werde ich nicht. Aber das würde Spaß machen. Das wäre schon was . . .

Apropos Spaß. Das größte Erlebnis ihrer Zeit?

SAUBER: Schwer, aber der Le-Mans-Sieg war schon etwas ganz, ganz Besonderes.