Die Ferrari-Heimat Maranello liegt nur gut 70 Kilometer von der Rennstrecke in Imola entfernt, kein Wunder, dass die Scuderia dort im Autodromo Dino und Enzo Ferrari uneingeschränkte Unterstützung genießt. Aber das bedeutet auch zusätzlichen Druck: Kann das Team dort bereits weitere Schritte in Richtung Spitze machen, auf dem Weg zu den ganz großen Zielen, die ab 2025 angepeilt sind? Die ersten beiden Trainings lassen annehmen: Ja. Denn Charles Leclerc dominierte beide Sessions, ist damit auch heute im Qualifiying Favorit. Zumal Max Verstappen mit ungewohnten Problemen zu kämpfen hatte.
Eine Menge Updates, die Ferrari mitgebracht, scheinen Wirkung zu zeigen: Sowohl die Kühleinlässe als auch die Verkleidung, der Unterboden und der Heckflügel wurden verändert, um das Gesamtpaket pünktlich zum Heimspiel in der Emilia Romagna zu verbessern. Charles Leclerc gibt sich zunächst vorsichtig: „Visuell wurde das Auto verändert, aber man darf sich dadurch nicht zu falschen Erwartungen hinreißen lassen. Das wäre für uns selbst nicht gut. Wir denken natürlich, dass wir damit einen Schritt in die richtige Richtung machen, aber das müssen wir zuerst noch auf der Strecke bestätigen. Wie groß der Schritt ausfällt, können wir noch nicht sagen.“ Um zu einer wirklichen Einschätzung zu kommen, reiche nicht einmal ein Wochenende. „Das müssen wir uns dann auch noch auf anderen Kursen unterschiedlichen Streckencharakteristiken anschauen. Dann erst werden wir wissen, wie der nächste Teil der Saison wohl laufen wird.“
Teamchef Fred Vasseur gab sich selbstbewusster: „Wir sind zuversichtlich, dass wir ein gutes Tempo zeigen und vorne mitkämpfen können, und wir hoffen, dass wir den Tifosi etwas bieten können.“ Der Franzose ist aber derzeit nicht nur mit der aktuellen Saison beschäftigt. Es geht vor allem darum, das Team für die Zukunft perfekt aufzustellen. Nach der Verpflichtung von Lewis Hamilton für 2025 hat man zwei weitere Schlüsselfiguren von Mercedes abgeworben. Jerome d‘Ambrosio und Loic Serra werden am 1. Oktober 2024 bei Ferrari anfangen. Serra war bei Mercedes Performance-Direktor, bei Ferrari wird er die Position des leitenden Ingenieurs für die Fahrzeugentwicklung übernehmen, ist direkt Technikchef Enrico Cardile unterstellt.
Ex-Formel-1-Pilot Jerome d‘Ambrosio war nach seiner aktiven Rennfahrerkarriere unter anderem Teamchef bei Venturi in der Formel E, gemeinsam mit Toto Wolffs Frau Susie. Zuletzt fungierte der Belgier als Leiter des Nachwuchsprogramms von Mercedes. Bei Ferrari macht er nun einen deutlichen Karrieresprung: Er wird stellvertretender Teamchef. Der letzte Schritt in den großen personellen Veränderungen soll dann natürlich die Verpflichtung von Adrian Newey werden. Auch wenn noch nichts offiziell ist: Hinter den Kulissen verdichten sich die Gerüchte, dass die Gespräche mit dem Top-Design-Genie der Formel 1 inzwischen weit fortgeschritten seien.
Was schon jetzt bei Ferrari auffällt: Seit dem Amtsantritt von Vasseur scheint dort deutlich mehr Ruhe eingekehrt, Fehler etwa bei Boxenstopps und Strategien wurden seltener, auch deshalb die Ergebnisse besser. Vasseur führt das auf eine von ihm etablierte Doppelstrategie zurück. Einerseits wolle er er nicht in den Fehler verfallen, überall auf Nummer sicher zu gehen: „Wenn man sich Spielraum lässt, ist man auf der sicheren Seite, aber man verbessert sich nicht.“ In dieser Hinsicht mache er durchaus Druck. Andererseits nimmt er ihn aber auch heraus: „Ich bin auch der erste, der akzeptiert, dass wir Fehler machen können.“
Grundsätzlich würden auch die Fahrer heute deutlich stärker und früher in die Entwicklung des Autos einbezogen. Wobei er sich da für die Zukunft noch einmal einen besonderen Push von Lewis Hamilton erwartet: „Ich denke, wir sind immer noch ein junges Team. Das ist nicht nur eine Frage des Alters, sondern auch eine Frage der gemeinsamen Erfahrung, der gemeinsamen Siege. Und das bedeutet, dass wir noch ziemlich grün sind, oder ziemlich jung. Und jemanden in die Runde zu bekommen, der einen so großen Hintergrund und so viel Erfahrung hat, wird sich mit Sicherheit auswirken. Lewis wird mit Sicherheit einen Mehrwert schaffen.“
Karin Sturm