Der engste Kreis war alarmiert. Helmut Marko zeigte sich Montagmittag besorgt: ,,Er hebt auch bei mir das Telefon nicht mehr ab. Niki geht es schlecht. Er kämpft um sein Leben.“ Wenige Stunden später sollte seine Befürchtung traurige Gewissheit werden. Helmut Marko zählte zu jenen wenigen Menschen, die Lauda außerhalb der Familie nahe an sich heranließ – neben Nikis Uralt-Spezi Bertl Wimmer, dem Designer Hannes Rausch, Attila Doudan und wohl auch Toto Wolff. Marko und Lauda waren Rivalen, aber auch Blutsbrüder. Eine Seilschaft, die nie echte Risse zeigte – selbst als Marko Laudas Sohn Mathias einen Platz im Red-Bull-Team verweigerte. Auch im dauerhaft schwelenden Konflikt zwischen Red Bull und Mercedes waren Lauda und Marko auf persönlicher Ebene stets außen vor.

Als Journalist begleitete ich seit Mitte der Siebzigerjahre Laudas Lebensweg über weite Etappen. Niki nahm mich zum ersten Mal auf einem Reifenstapel in der Boxenstraße hockend beim Grand Prix von Zandvoort wahr. Helmut Zwickl, der legendäre GP-Berichterstatter vom „Kurier“, hatte mich als Jungspund vorgestellt. Niki gab mir zwar nicht die Hand, sagte aber: „Servas.“ Immerhin.

In den Jahren des Erfolgs machte es Niki seinem Umfeld nicht immer einfach. Journalisten behandelte er oft wie lästige Schmeißfliegen, er genoss seinen Status, und die oft schroffe, herablassende Art musste man aushalten.

Am Radar hatte mich Lauda aber erst richtig mit Beginn seiner zweiten Karriere als Airliner. Ich war bei seinem allerersten Eröffnungsflug 1980 nach Sardinien an Bord seiner lärmenden Fokker F-27 und irgendwann fing er an, mich zu mögen. Der Kontakt verdichtete sich dann mit seinem zweiten Start zehn Jahre später, als Niki die weltweite Linienflugkonzession erhielt und in den Ring gegen die mächtige AUA stieg.

Mit seinem Spirit, seinem Tempo und seiner Robin-Hood-haften Auflehnung gegen das Establishment zog er uns alle in seinen Bann. Wurde es eng, setzte Niki einfach seine rote Kappe auf und marschierte los. Er steckte seine Flugbegleiter in Blue Jeans und stylishe Gilets und erfand nebenbei das Essen im Flugzeug neu.

Lauda nahm mich dreimal mit nach Seattle, wo er bei Boeing seine Flieger höchstpersönlich in Empfang nahm und als Kapitän nach Hause flog. Kam eine neue Destination ins Programm, trudelte die Einladung zum exklusiven Eröffnungsflug mit dem Chef ein. Ich hatte ein permanentes Ticket: Mombasa, Miami, Los Angeles.

Lauda und Schwarzenegger

Los Angeles 1993, unvergessen. Arnold Schwarzenegger hätte Niki am Flughafen begrüßen sollen, war dann aber doch nicht da. Ich traf den Terminator noch spätnachts am Set zu „Last Action Hero“ und vereinbarte ein Treffen am nächsten Tag im „Schatzis“, seinem früheren Restaurant in Santa Monica. Schwarzenegger kam mit einer Stunde Verspätung – und setzte sich mit seiner damaligen Frau Maria prompt an den Nebentisch. Niki wollte in der Sekunde gehen, ich fing die Sache irgendwie ein. Die Folge war eine innige Umarmung der Alphatiere, die nach fünf Minuten übers Geld redeten. Ich schoss mit meiner Mickymaus-Kamera ein Foto, das wir eine Woche später auf die Titelseite der Kleinen Zeitung brachten. Die beiden wohl bekanntesten Österreicher hatten sich übrigens zuvor nie getroffen und sahen sich danach nicht oft wieder.
Am gleichen Abend verweigerte man Lauda übrigens noch den Eintritt in den „Glam Slam“, den Klub von Prince in Downtown Los Angeles. Dem finsteren Riesen-Lackl von Türsteher missfiel die rote Kappe. Die Destination an der amerikanischen Westküste schloss Lauda nach nur einem Jahr.

Jahre später wurde mir um Mitternacht in Moskau die Ehre zuteil, zusammen mit Niki Lauda verhaftet zu werden. Der ORF hatte das Kameraverbot im Kreml übersehen. Wir saßen eine Stunde fest, die mitgeführte Wodka-Flasche wurde konfisziert. Die Polizisten ließen sich auch von der roten Kappe nicht beeindrucken. Niki schäumte.

In den 40 Jahren habe ich mit Niki Lauda Dutzende Interviews geführt. Eines bleibt in ewiger Erinnerung, jenes vom 11. September 2001. Niki machte uns den Gastkommentator am Frankfurter Autosalon, als um 15 Uhr auf Nikis Handy ein SMS eintrudelte. Lauda: ,,Ein Trottel ist ins World Trade Center geflogen.“ Eine halbe Stunde später erreichte Niki die zweite schreckliche Nachricht. Die nächsten zwei Stunden verbrachte Lauda vor einem Fernseher, umringt von Hunderten Journalisten, die an seinen Lippen hingen.

Inhaltlich war Niki immer eine Bank, um welches Thema es auch ging. Er sprach Klartext, machte Komplexes verständlich und verbog sich nie. Grantig wurde er nur, wenn ihm fad wurde. Seine Unruhe war ein Markenzeichen. Die Kleine Zeitung hatte seine Sympathie. Niki kam zu unserer Primus-Gala und oftmals zur Weinkost am Pogusch, auch wenn er nur Wasser trank.

Zuletzt traf ich Lauda bei einer Charity-Veranstaltung in Wien, mir fiel auf, dass er beim Gehen Probleme hatte. Nach seiner Lungentransplantation schrieb ich ihm zum Geburtstag eine Mail, wie immer am 22. Februar. Erstmals gab es keine Antwort. Ich hätte ihn noch gerne getroffen.

Servas, Niki.