Aufhören, wenn man am Höhepunkt ist - kaum hat das jemals so zugetroffen wie bei Nico Rosberg. Der 31-jährige Deutsche hat sich am Sonntag mit dem Gewinn des Weltmeistertitels in der Formel 1 seinen Traum erfüllt und fünf Tage später die Motorsportfans mit seinem Rücktritt überrascht.
Nur wenige Stunden vor der offiziellen Übergabe des WM-Pokals in Wien gab der neue Champion seinen Rückzug bekannt. Wohlüberlegt, ausgeruht, ohne Vorankündigung. Er schloss damit ein Formel-1-Kapitel, das es in sich hat.
Rosberg hatte sich mit dem Triumph in Abu Dhabi für seine Geduld belohnt. Als Weltmeister löste sich der Formel-1-Marathonmann endlich aus dem Schatten seines ungeliebten Rivalen Lewis Hamilton. "Wir werden so was von Gas geben, das wird nicht gut sein", kündigte der als so diszipliniert geltende Deutsche am Sonntag wilde Feiern an. "Ich melde mich für die nächsten Tage ab", sagte er und meldete sich am Freitag mit der Sensationsmeldung zurück.
Rosberg war im vergangenen Jahrzehnt der verlässlichste Mann der Formel 1. Seit er 2006 in Bahrain mit 20 Jahren sein Debüt in der Königsklasse gegeben hat - und dort gleich die schnellste Runde hinlegte -, hat er kein einziges Rennen verpasst. Mit 206 Grand-Prix-Starts ohne Unterbrechung liegt er in der entsprechenden Statistik klar vor dem Italiener Riccardo Patrese, der es auf 187 Rennen brachte, an der Spitze.
Beständig, schnell, fleißig, weltmännisch - Attribute, die Rosberg als perfekten Werbeträger für die deutsche Wertschmiede Mercedes-Benz erscheinen lassen. Irgendwie kam der gebürtige Wiesbadener aber immer auch als etwas glatt rüber. Sein Jetset-Hintergrund fernab von finanziellen Sorgen wurde gleichsam zum Handicap.
Mit Vater Keke Rosberg, 1982 mit einem einzigen Rennsieg erster finnischer Formel-1-Weltmeister, und Mutter Sina, ein früheres Model aus Deutschland, wuchs Rosberg in Monaco auf. Die Winterurlaube verbrachte die Familie in Zell am See in Salzburg. Neben Deutsch spricht der Blondschopf fließend Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch - jedoch nicht Finnisch, obwohl er auch die finnische Staatsbürgerschaft besitzt. Hätte es mit der Motorsportkarriere nicht geklappt, soll ihm nach einer Matura mit Bestnoten am renommierten Imperial College in London ein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik offengestanden sein.
Im Gegensatz zum oft ungestümen, schillernden Instinktfahrer Hamilton, der seine bescheidene Herkunft mit Popstar-Avancen vergessen machen lässt, galt der geduldige Rosberg lange als zu "brav", zu steif. Gefühlsausbrüche oder intime Einblicke wird man von dem PR-Profi eher nicht bekommen. In diesem Jahr ist der Deutsche sportlich allerdings aus dem Schatten des Engländers getreten, mit dem er sich schon in Jugendtagen auf der Kartbahn hitzige Duelle geliefert hatte.
F1-Weltmeister Nico Rosberg gab in Wien Rücktritt bekannt
Vier Rennen gewann Rosberg zu Beginn des Jahres, saisonübergreifend legte er als erst vierter Fahrer eine Serie von sieben Siegen hintereinander hin. Nur am Rande sei erwähnt, dass seinem Vater in seiner Laufbahn nur fünf Siege gelangen. Nach dem Mercedes-Doppelausfall in Barcelona Mitte Mai lag der Deutsche schon 43 Punkte vor seinem Kontrahenten. Dann setzte sich Hamilton mit 19 Zählern ab, ehe er nach der Sommerpause in Singapur wieder ins Hintertreffen geriet. Diesen Rückstand vermochte er in den letzten sechs Rennen nicht mehr aufzuholen.
Von Rennen zu Rennen
Mit Präzision und Detailversessenheit arbeitete Rosberg an seinen Defiziten. Der mit seiner Jugendliebe Vivian verheiratete Vater einer Tochter überwand seine vorübergehende Schwäche bei Starts, tüftelte an Atmung und Schlafrhythmus. Zudem wählte der 31-Jährige die für ihn perfekte mentale Marschroute, um den Formel-1-Gipfel zu erklimmen: nur von Rennen zu Rennen zu denken und dabei das Maximum herausholen. "Er ist der würdige Weltmeister für dieses Jahr", sagte Niki Lauda, einer von mehreren Förderern aus Österreich - darunter auch Gerhard Berger und Toto Wolff.
Einen gewissen Anteil an seiner Entwicklung hat auch Rekordchampion Michael Schumacher. Als Rosberg 2010 zu den Silberpfeilen wechselte, war niemand Geringerer als der siebenmalige Weltmeister sein Teamkollege. Und von diesem konnte Rosberg einiges in Sachen Leidenschaft, Disziplin und Kampfgeist lernen.
Nicht mehr ewiger Zweiter
Mit seinem WM-Triumph hat Rosberg sein Image als ewiger Zweiter abgelegt - und sich auch endgültig von seinem Vater emanzipiert. "Es war eine weise Entscheidung von ihm, mich meinen eigenen Weg gehen zu lassen", sagte Rosberg junior einmal über den Abnabelungsprozess vom bestimmenden Senior.
Seine Mutter konnte sich mit dem nicht ungefährlichen Job eines Rennfahrers - vorgeprägt durch die Laufbahn ihres Mannes - nie wirklich anfreunden. "Während des Rennens putzt sie zuhause die Wohnung, macht den Staubsauger an und wartet, bis alles vorbei ist", erzählte der Sohn einmal. "Sie hat eben Angst um mich." Nun hat Sina Rosberg diese Sorge nicht mehr.