Haben Sie eigentlich schon darüber nachgedacht, was Sie morgen in einer Woche machen werden?
David Coulthard (überlegt): Morgen in einer Woche? Was soll ich da Großartiges machen?

Es wird Ihr erster Tag nach fast 15 Jahren Formel sein.
Coulthard: Aaaah! Ich werde natürlich in Brasilien sein. Oder besser gesagt, von Brasilien nach Europa zurück fliegen. Es wird kein besonderer Tag sein. Ich bin bereit, aufzuhören.

Was wird sich an Ihrem Leben ad hoc ändern?
Coulthard: (lacht) Ich glaube, die größte Umstellung für mich wird sein, dass ich demnächst Vater werde. Ein Baby zu Hause zu haben, das wird für mich neu. Aber ich freue mich sehr darauf. Sonst wird sich nicht dramatisch viel ändern. Ich werde weiter für Red Bull tätig sein, zu allen Rennen kommen, Testarbeit machen. Der Unterschied ist nur, dass ich mir Sonntag den Grand Prix von außen anschauen und nicht mehr im Rennauto sitzen werde.

Ist Ihre künftige Rolle bei Red Bull schon definiert?
Coulthard: Noch nicht konkret. Es war der Wunsch von Dietrich (Mateschitz, Anm.), dass ich involviert bleibe. Aber ich will auch mit der neuen Technologie auf dem Laufenden bleiben, kann zum Beispiel meine Erfahrung aus der Zeit mit profillosen Reifen weitergeben. Ich kann mir auch vorstellen, für die Nachwuchsfahrer von Red Bull eine Art Coach zu spielen.

Und Sie werden als TV-Kommentator für BBC arbeiten?
Coulthard: Ja, ich gehe davon aus. Obwohl noch kein Vertrag unterschrieben ist. Aber die BBC will mich als "Experten". Wobei ich mich ernsthaft frage, wer ist schon ein Experte?

So etwas, was wir im Deutschen Pensionsschock nennen, befürchten Sie also nicht?
Coulthard: (lacht auf) Das kann ich jetzt nicht sagen. Aber ich habe alles unternommen, dass ich nächsten Montag etwas zu tun habe. Ich habe bis Jahresende viele Termine, mein Hotel- und Investmentbusiness gehen weiter. Ich bin gerade dabei, meine Anteile an der Columbus-Hotelgruppe an einen arabischen Investor zu verkaufen. Ich denke, das wird ein ganz gutes Geschäft.

Ist es sehr unwahrscheinlich, dass Sie in zwei Jahren wieder in einem Rennauto, zum Beispiel im Tourenwagen-Masters, sitzen werden?
Coulthard: Ich würde sagen, es ist unwahrscheinlich. Aber wer weiß? Ich weiß nicht, wie stark mein Rennfahrerinstinkt weiter vorhanden sein wird. Unwahrscheinlich ist, dass ich überhaupt nichts mehr mit dem Motorsport zu tun haben werden.

Wenn Sie auf Ihre Formel-1-Karriere zurückblicken, was fällt Ihnen spontan ein?
Coulthard: Zum Beispiel Magny-Cours in Jahr 2000. Ich denke, das war mein bester Grand Prix. Als ich Rubens (Barrichello, Anm.) und Michael (Schumacher, Anm.) überholt und gewonnen habe. Oder meine Siege, bei denen Michael und Mika (Ex-Teamkollege Häkkinen, Anm.) neben mir auf dem Podium gestanden sind. Das war schon was, die beiden haben doch über Jahre die Formel 1 dominiert.

Haben Sie eigentlich früher einmal schon ans Aufhören gedacht?
Coulthard: Nach dem Flugzeugabsturz in Lyon. Ich bin im Bett gelegt und habe mich gefragt, ob ich weiterfahren soll? Ob ich tatsächlich ins Flugzeug zum nächsten Rennen steigen soll? Aber die Antwort war dann sehr schnell ein Ja.

Hat dieses Flugzeugunglück Ihr Leben verändert?
Coulthard: (wird sehr ernst) Auf jeden Fall. Ich bin auf dem Land in einfachsten Verhältnissen aufgewachsen. Dann kamen der Erfolg, das Geld, das Privatflugzeug. Wenn du jung bist, merkst du nicht, wie gut es dir geht. Aber ein solches Unglück bringt dich unweigerlich wieder in die Realität zurück.

Wie zufrieden ist man mit einer Karriere, wenn man 13-Mal gewonnen hat und über 60-Mal auf dem Podium gestanden, aber trotzdem nie Weltmeister geworden ist?
Coulthard: Keiner wird mit dem WM-Titel geboren. Und was du nicht hast, das kannst du nicht verlieren. Ich bin froh über das, was ich gewonnen haben, das kann mir keiner nehmen.

Haben Sie noch Kontakt mit einem Schumacher oder einem Häkkinen?
Coulthard: Nein, höchstens Mika sehe ich gelegentlich in Monaco. Aber eher zufällig.

Kommen wir noch einmal zur Zukunft. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Dietrich Mateschitz bezeichnen?
Coulthard: Sehr offen, sehr geradlinig und ehrlich. Wir können über alles reden. Zum Beispiel gab es in dieser Saison Gerüchte, ich dürfte sie nicht mehr zu Ende fahren. Da sprach ich Dietrich sehr direkt an. Aber er sagte, nein, natürlich fährst du die Saison zu Ende.

Was ist für Red Bull in der Formel 1 möglich?
Coulthard: Auch wenn ein Hamilton oder Massa Missgeschicke hatten, in Monza zeigte sich, was möglich ist. Das war ein klarer, verdienter Sieg. Das Gesamtpaket hat viel Potential. Wenn die Sache mit der Energie-Rückgewinnung funktioniert, kann es weiter Richtung Spitze gehen.

Was würden Sie ändern, wenn Sie Bernie Ecclestone an der Spitze der Formel 1 beerben müssten?
Coulthard: Ich würde versuchen, die vielen Kontroversen zu unterbinden. Ich weiß nämlich nicht, ob das eine Marketingmaßnahme ist, um die Formel 1 im Gerede zu halten, oder ob es ein Desaster in Public Relations ist.

Wenn Sie nochmals von vorne anfangen könnten, würden Sie alles genau gleich machen?
Coulthard: Im Nachhinein weiß man alles besser, also müsste ich einiges ändern. Aber die Frage stellt sich nicht.