Gleichgültig von welchem Winkel der Stadt, zur Formel-1-Rennstrecke am Marina Bay, dem Südzipfel von Singapur, nimmt man sich am besten ein Taxi. Denn Taxis sind hier mit höchstens zehn, zwölf Sing-Dollar, umgerechnet etwas mehr als fünf Euro, pro Fahrt vergleichsweise billig. Und es gibt sie zu Abertausenden. Für Taxifahrer wurden auch eigene Stadtpläne mit allen dieser Tage gesperrten Straßenzügen und deren Umleitungen aufgelegt.

Alles verboten. Doch der gute Herr am Steuer müsste Singapur und jedes einzelne Gässchen ohnehin wie seine Westentasche kennen. Sein Gesicht hat bereits tiefe Furchen, sein struppiges Haar ist grau. Er fährt sicher schon eine halbe Ewigkeit Taxi. Als er "Formula One" hört, stehen ihm aber plötzlich dicke Schweißperlen auf der Stirn, obwohl es im Taxi kälter als in einem Eisschrank ist. "Alles verboten, alles gesperrt", fuchtelt er hilflos herum. Ein paar Straßen weiter wimmelt es bereits vor kleinen Männchen mit signalgelben Jacken und dicken Handschuhen. Und alle winken sie überall hin. Brücke hinauf, Schnellstraße hinunter, Schnellstraße hinüber, Brücke zurück. Das Taxi übt offenbar für die Formel 1. Es fährt zuerst minutenlang im Kreis und am Ende sogar eine große Runde durch eine Tiefgarage.

Keine Ahnung. Singapur und der Großteil seiner 4,2 Millionen Menschen können mit der Formel 1 "noch nicht viel anfangen", sagt später Ong Kian Kok, ein freundlicher junger Mann, im Taxi auf dem Heimweg, als müsse er sich für die Irrfahrt vom Vormittagentschuldigen. "Wir haben kein Geld, die Formel 1 zu sehen. Ich habe ihren Sound noch nie gehört." Dass in Singapur am Sonntag das erste Nachtrennen der Geschichte gefahren wird, wusste der Bursche überhaupt nicht. Nur von einem "Sumaker" hat er schon einmal gehört. "Er war der Beste, oder?"

Beinahe ausverkauft. Das erste Grand-Prix-Wochenende ist dennoch beinahe ausverkauft, am Donnerstag waren noch 100 Resttickets für den Rennsonntag zu haben. Allerdings kommen 40.000 der rund 100.000 Besucher aus Europa. Obwohl sie für Hotels, die ihre Zimmerpreise verdoppelt und verdreifacht haben, von 500 Euro aufwärts pro Nacht hinblättern. Als die Formel 1 vor zwei Wochen in Monza gefahren ist, lief in den "Bedok South Coffee Shops", eine der größten Kaffehausketten Singapurs, statt dessen die TV-Übertragung von Stoke City gegen Everton aus Englands Fußballliga. Und laut Umfrage einer Tageszeitung meinen die meisten Menschen von Singapur erstaunt, dass der erste Grand Prix in ihrer Stadt erst nächstes Jahr gefahren würde.

Die wahren Experten. Carl Skadian, einen der Chefredakteure von "The Straits Times", ärgert sich darüber fürchterlich. "Wir haben nur an die Touristen gedacht. Singapur hat vergessen, die Singapurianer zur Formel 1 einzuladen", schrieb er in seinem gestrigen Leitartikel. Dafür bricht sein Kollege Neil Humphreys in einem zynischen Kommentar eine Lanze für die Taxifahrer. Taxifahrer sind doch die wahren Formel-1-Experten", schreibt Mister Humphreys. Keiner könne einem Lewis Hamilton die Strecke besser erklären, als ein Taxifahrer. "Er kennt hier jede Bodenwelle und jeden Kanaldeckel." Wenn er die Grand-Prix-Strecke jemals findet.