Sie geben sich nicht gerne mit Mittelmaß zufrieden. Wie hoch haben Sie Ihre Erwartungen in die heurige Formel-1-Saison angesetzt?
DIETRICH MATESCHITZ: Bei aller geziemenden Zurückhaltung, weil es noch sehr früh ist - aber ich habe ein hervorragendes Gefühl. Das vorjährige Auto war ein völlig Neues. Da braucht es einfach zwei, drei Jahre, bis man das volle Potenzial ausnützen kann.

Und woher nehmen Sie Ihr "hervorragendes Gefühl"?
MATESCHITZ: Wir haben signifikant Gewicht reduziert. Die Daten von Windkanal und Computer stimmen überein. Und, ganz entscheidend, wir haben große Schritte in Bezug auf die Standfestigkeit gemacht.

Aber in den letzten Jahren wurden Ihre Ziele dann auf der Rennstrecke sehr schnell wieder nach unten revidiert?
MATESCHITZ: Vor zwei Jahren war unser Auto nahe an einem Flop. Und letztes Jahr haben wir bis zum Ende der Saison gebraucht, um draufzukommen, was uns die Probleme macht. In den letzten drei Rennen waren wir dann aber deutlich schneller. Darauf haben wir aufgebaut.

Dass Ihre Geduld irgendwann überstrapaziert wird, fürchten Sie eigentlich nicht?
MATESCHITZ: Nein. Dass die Luft in der Formel 1 eine dünne ist, habe ich schließlich gewusst.

Trauen Sie Red Bull heuer schon zu, um den Sieg mitfahren zu können?
MATESCHITZ: Nicht unter normalen Rennbedingungen. Aber unsere beiden Piloten sollten für jeweils zwei, drei Plätze auf dem Podium gut sein.

Und Ihr zweites Team, Toro Rosso?
MATESCHITZ: Dort haben wir mit Sebastian Vettel den Fahrer mit dem vielleicht größten Potenzial. Ein ganzheitlicher Fahrer. Ja, ganzheitlich, das ist ein guter Ausdruck.

Vom Verkauf von Toro Rosso ist also keine Rede mehr? MATESCHITZ: In der Formel 1 sagt man niemals nie. Aber im Augenblick ist das nicht aktuell.

Red Bull hat nicht nur Freunde in der Formel 1. Vom Geld, mit dem Sie den Zirkus verderben würden, war die Rede.
MATESCHITZ (erstaunt, denkt etwas nach): Verzeihung, aber das wurde doch nur von den Medien konstruiert. Wir haben nicht einen Mitarbeiter durch ein überhöhtes Angebot irgendwo abgeworben. Wir bezahlen innerhalb des üblichen Marktpreisgefüges. Aber Rochaden und Fluktuation gehören zum Geschäft. Tüchtige Leute abzuwerben, das machen auch andere Teams seit 50 Jahren.

Was fällt Ihnen nachträglich zur Spionageaffäre ein?
MATESCHITZ: Ich habe zu wenige Detailkenntnisse. Es gibt den Standpunkt, dass die Strafen übertrieben waren. Und dann gibt es das andere Extrem, dass die Betroffenen zu glimpflich davongekommen sind, weil es nur die Spitze eines Eisberges gewesen sei. Ich bin hier ganz der Viktor-Frankl-Schüler. Man hat nicht das Recht, alle Dinge zu be- und verurteilen.

Sie gelten nicht unbedingt als Freund der Öffentlichkeit und großer Massenansammlungen. Trotzdem kommen Sie jedes Jahr nach Kitzbühel?
MATESCHITZ: Der Hahnenkamm, die Streif, das ist wie Monte Carlo in der Formel 1. Das ist der Almauftrieb von Österreich. Viele lieben Kitzbühel, viele lieben es nicht. Aber alle kommen sie hin.

Sie gehen heuer erstmals auch auf den Opernball?
MATESCHITZ (verzieht die Mundwinkel): Den Opernball kann ich weder lieben noch kann ich ihn nicht lieben. Außerdem - haben Sie mich schon einmal Linkswalzer tanzen gesehen?

Wie sehr fiebern Sie der Fußball-EM entgegen?
MATESCHITZ: Die Euro werde ich eher nur als Fernsehzuschauer miterleben. Olympia, Welt- und Europameisterschaften sind ja nicht die Kernkompetenz von Red Bull.

Was trauen Sie unserem Nationalteam zu?
MATESCHITZ: Es gibt Fußballwunder. Denn es gibt emotionale und mentale Bereiche, die wir nicht kennen. Dass unser Team über sich hinauswächst - ja, das kann passieren.

Ihre Salzburger Fußballer sind heuer, vor allem im Europacup, eher nicht über sich hinaus gewachsen. Womit wir wieder bei der Geduld wären. Wie lange wird Giovanni Trapattoni noch Trainer bleiben?
MATESCHITZ: Das entscheide ich nicht allein. Da muss es mit ihm einen Konsens geben, den Vertrag zu verlängern oder nicht. Derzeit steht weder das eine noch das andere zur Diskussion. Es ist aber auch kein Hitzfeld, kein Kaltfeld oder wer auch immer ein Thema. Ich suche ganz sicher nicht hinter Trapattonis Rücken einen Trainer.

Sie haben auch weitere Fußballprojekte im Ausland in Planung. Wie aktuell sind die?
MATESCHITZ: Sehr aktuell. In Ghana ist unsere Fußballschule schon in Betrieb. In Brasilien, nahe Sao Paulo, haben wir Grundstücke gekauft. Und im neuen Stadion in New York wird man in etwa zwei Jahren spielen können.

Stichwort Amerika. Dort wollten Sie sich auch im Eishockey engagieren?
MATESCHITZ: Das werden wir auch. Wir planen ein Team für die Canadian League, in enger Zusammenarbeit mit den Montreal Canadians.

Gibt es etwas Neues zum leidigen Thema Österreichring? Sie wurden von einem Magazin in der Causa Spielberg bereits zum "Problembullen" ernannt.
MATESCHITZ: Spielberg ist so einfach zu verstehen, wenn man es verstehen will. Man kann eine solche Renn- und Teststrecke nur machen, wenn sie ausgelastet ist. Wenn VW, Audi, Magna und KTM nun nach der Reihe abspringen - Red Bull allein kann sie nicht auslasten . . .

Sie wollten nach alternativen Partnern suchen?
MATESCHITZ: Es gibt nicht viele Alternativen.

Allerdings haben Sie immer betont, den Urzustand der Anlage wieder herzustellen?
MATESCHITZ: Wenn es genug Dumme gibt, die eine diesbezügliche Forderung stellen, werden wir uns nichts nachsagen lassen. Dann stellen wir den Ring wieder her. Das würde aber eher an Schildbürger erinnern.

Letzte Frage, Herr Mateschitz. Bei all dem, wo sich Red Bull heute engagiert, haben Sie noch den Überblick?
MATESCHITZ: Ich bilde mir zumindest ein, noch den Überblick zu haben.INTERVIEW: GERALD POTOTSCHNIG