Frauen-Fußball scheidet die Geister. Für die einen ist er sportlich so wertvoll wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen, andere sehen taktische Finessen und ausgereifte Spielkultur. In puncto Athletik unter dem Niveau einer Knabenmannschaft oder technische Brillanz, die jeden Lästerer auf einem Bierdeckel schwindlig spielt? Jedenfalls kicken die Ladys längst nicht mehr, als hätten sie im Brotkistl geschlafen, ist das Niveau enorm gestiegen. Trotzdem fließt weit weniger Marie als bei den Männern, was nur bedingt daran liegt, dass ölige Scheichs und schmierige Oligarchen an Ballesterinen wenig interessiert sind.

Ist die Frauen-EM ein hochgepuschter Hype, der niemand interessiert? Oder gedeiht da etwas, das bald ganze Nationen vom Sessel reißt? Frauen foulen weniger. Sie verzichten auf Mätzchen wie Zeitschinden oder Schwalben und spielen vielleicht den ehrlicheren Fußball. Eines haben aber auch die Spielerinnen gelernt – sie spucken wie die Lamas. Immer wieder sieht man gleich Sternschnuppen zu den Perseiden flockige
Sekrete durch die Stadien schweben, schaumige Schleimpatzen, die anstandslos das gepflegte Grün besprenkeln.

Gut, wo sollen sie hin mit ihrem von Aufregung angeregten Speichelfluss? Schließlich können auch Fußballerinnen nicht mit Taschentüchern auflaufen, Spucknäpfe sind aus der Mode und begleitende Kammerdiener schwer vorstellbar. Spucken, denken viele, ist unvermeidlich. Alles fließt, hieß es schon bei den alten Griechen – panta rhei. Bewegung führt zu Salivation, die es zu entsorgen gilt. Doch das stimmt nicht. Beim Tennis, Handball oder Basketball wird auch nicht öffentlich gespeichelt.

Stellen Sie sich die bedröppelten Gesichter der englischen Herzoginnen vor, wenn ein Djokovic plötzlich den heiligen Rasen von Wimbledon mit seinem ungeimpften Speichel betröpfelte. Selbst beim Hallenfußball herrscht Spuckverbot, ist doch die Gefahr, dass man am hingerotzten Schlatz entgleitet und sich alle Speichen bricht, zu groß. Nur Fußball ist anders, da ist Spucken eine nonverbale Meinungsäußerung. Wie Hunde, die keine Ecke unmarkiert lassen, markieren Fußballer mit dem Gesabber ihr Revier. Das Geschlabber beginnt bei Kindern, die ihren Idolen nachgeifern und macht vor Damen nicht halt. Dabei, auch wenn das für manche schwer zu schlucken ist, besitzt der Auswurf keine körperliche Notwendigkeit, ja, medizinisch gesehen ist er sogar kontraproduktiv.

Selbst in Theatern wird zum Zweck der Fortuna-Köderung gern gespuckt, aber da gibt es einen Vorhang. Fußballerinnen müssen, wenn sie vor selbigen treten, nicht jede Blödheit nachmachen. Sie dürfen rotzig spielen und über Gegnerinnen schleimen, aber spucken? Dieser Spuk darf wieder verfliegen.

Franzobel, 1967 in Vöcklabruck geboren, ist Schriftsteller und Sportfan.