Es brodelte im Österreichischen Olympischen Comitée (ÖOC) schon seit längerem – und spätestens nach dem ersten Vorschlag der Wahlkommission für den "Vorstand neu" und einem daraufhin folgenden Brief der Athletenkommission an den gesamten Vorstand stand das Gebilde vor der Eruption. Die ist nun gewissermaßen erfolgt: Denn in seiner Sitzung am Donnerstag sprach der alte Vorstand der Wahlkommission das Misstrauen aus – das hat Folgen. Denn statt wie vorgesehen am 14. Juni nun den neuen Vorstand zu wählen, wird sich da erst eine neue Wahlkommission bilden müssen, die einen neuen Vorschlag erarbeiten muss. Die Zeit drängt (noch) nicht: Fix ist nur, dass es noch 2023 einen neu gewählten Vorstand geben muss.

Die offizielle Begründung für das ausgesprochene Misstrauen: "Es liegt darin begründet, dass der Wahlvorschlag schon im Vorfeld den Medien kommuniziert wurde. Und das, noch bevor die Athletenkommission angehört wurde und auch, bevor er nur den aktuellen Vorstand erreicht hat", sagte Präsident Karl Stoss im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Der Vorarlberger betonte auch, dass auf die im Brief der Athletenkommission geäußerten Wünsche in keinster Weise eingegangen worden sei. "Aber das Wohl der Athletinnen und Athleten steht ganz klar im Vordergrund. Das muss berücksichtigt werden. Deshalb haben wir der Kommission das Misstrauen ausgesprochen. Und das heißt, dass wir zurück auf Feld eins müssen."

Stoss: "Ich habe keinerlei persönliche Interessen"

Am 14. Juni wird nun eine neue Wahlkommission bestellt. Darin sitzen laut Statuten drei Vertreter der Dachverbände und vier von Fachverbänden. "Unser Anliegen wäre es, schon im Vorfeld Athletinnen oder Athleten in diesem Wahlausschuss aufzunehmen", sagt Stoss. Offen ist, ob das ausgesprochene Misstrauen die offenbar existierenden Gräben vertieft und ob der schwelende Konflikt nun offen ausgetragen wird. "Das wünsche ich mir nicht. Aber ich kann es auch niemandem verwehren, wenn man die Abberufung der Kommission übel nimmt. Aber 90 Prozent des Vorstandes haben dafür gestimmt, es war also eine überwältigende Mehrheit." 

Das Problem: Bei der Generalversammlung gab es Bestrebungen, der Athletenkommission das Stimmrecht zu verwehren. Wobei jene, die das Stimmrecht hinterfragten, betonen, dass es nicht um das Stimmrecht der Athleten ging, sondern um die Frage der Legitimation des Vorsitzenden der Athletenkommission: Matthias Guggenberger, Ex-Skeleton-Pilot, ist derzeit Trainer des britischen Teams und nicht mehr in Österreich aktiv tätig, hieß es.

Doch haben nicht nur die Athleten für Änderungen votiert, auch Präsidentinnen und Präsidenten von 23 Verbänden haben sich dem Vernehmen nach in einem gemeinsamen Schreiben an Peter McDonald gewandt, um den ersten Wahlvorschlag noch abzuändern. In dem Schreiben ist von "Experimenten" mit der Auswahl der Kommission für den Vorstand die Rede, die man so nicht haben wolle.

Präsident Karl Stoss jedenfalls war der Unmut über die aktuelle Situation anzumerken. "Ich habe auch heute betont: Ich habe am wenigsten Eigeninteressen zu vertreten. Ich als Person habe so oder so Sitz und Stimme im ÖOC-Vorstand, weil ich als Person und nicht ob meiner Funktion Mitglied im IOC bin. Wenn ich weiter für Ruhe und Harmonie nach außen sorge und für das Wohl der Athletinnen und Athleten stehen soll und kann und dem Team zur Seite stehen soll, dann tue ich das gerne." Aber er betont auch: "Ich mache das ehrenamtlich, ich muss mir nicht alles antun. Die Interessen aller müssen gewürdigt sein und ich will mit integren Persönlichkeiten zusammen im Vorstand arbeiten – ich muss Vertrauen haben." Nachsatz: "Ich bin nicht für Experimente im Vorstand bereit."

Keine Auswirkungen auf operative Arbeiten

Auf die laufenden Vorbereitungsarbeiten auf Großereignisse soll der Konflikt zwischen den Personen und Sportverbänden, die offenbar in zwei Lager gespalten sind, keine Auswirkungen haben. "Wir haben im Vorfeld von Paris 2024 viele olympische Events wie die European Games, die Jugendspiele (EYOF), die ANOC World Beach Games. Dazu müssen wir die Youth Games 2024 in Gangwon vorbereiten. Aber das wird durch das Leitungsorgan rund um Generalsekretär Peter Mennel, Sportdirektor Christoph Sieber und Marketingleiter Florian Gosch sichergestellt", versprach Stoss und ergänzte: "Sie und die vielen wertvollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben laufende Verträge, die werden eingehalten."