Das WM-Aus in der Vorrunde war für jeden deutschen Fußballfan ein Schockerlebnis. Ein Erlebnis, womit niemand wirklich gerechnet hat. Wie ich in meiner letzten Kolumne schrieb, hätte der 2:1-Sieg im zweiten Gruppenspiel gegen Schweden Signalwirkung haben können. Zumindest war das die Hoffnung der Fans. So wie die Mannschaft beim 0:2 gegen Südkorea aufgetreten ist, liegt der Verdacht nahe, dass auch beim Team selbst das Prinzip Hoffnung regiert hat. Die Leistung über alle drei Gruppenspiele hinweg hat zur logischen Konsequenz geführt, dass Deutschland in der Vorrunde ausgeschieden ist.

Ich hatte nie das Gefühl, dass dieses mögliche Schlüsselerlebnis gegen Schweden dazu geführt hat, dass die deutsche Mannschaft mehr Gier
entwickelt hat. Es hat gar nichts ausgelöst. Warum das nicht passiert ist?

Inhaltlich betrachtet waren es viele Kleinigkeiten, die nicht gepasst haben, wie zum Beispiel das Thema Kontervermeidung, die Passqualität, das Tempo oder die Positionierung gegen einen tief stehenden Gegner. Im Nachhinein sind natürlich immer alle schlauer! Gegen Südkorea wurde aber deutlich, dass die Probleme noch tiefer sitzen. Ich habe nicht nur fehlende Kreativität und ein viel zu geringes Spieltempo gesehen, sondern auch eine mangelnde Überzeugung von den eigenen Stärken.
Augenscheinlich war außerdem, dass Leistungssport immer auch Kopfsache ist.

Wenn in einem Mannschaftssport wie Fußball dann noch sehr viele Köpfe zusammenkommen und auch das Drumherum nicht störungsfrei abläuft (Stichwort: Özil/Gündogan/Erdogan), dann setzen gruppendynamische Prozesse ein, die du nicht von einem Moment auf den anderen abstellen oder aufhalten kannst. Es zeigt, dass die Zusammensetzung einer Gruppe enorm wichtig ist. Und dass es wichtig ist, Typen in der Mannschaft zu haben, die auf Entwicklungen innerhalb des Teams reagieren. Das sind alles Dinge, die man nicht immer vorher erkennt, im besten Fall aber spürt.

Wichtig ist jetzt, dass man die Lehren aus dem frühen WM-Aus zieht und richtig handelt. Man wird sich darüber Gedanken machen müssen, wie man die Truppe künftig aufstellt. Das Vorrunden-Aus sollte sensibilisieren und aufmerksam machen, neue Dinge anzuschieben. Auch wenn die Situation für die deutsche Fußballseele momentan unangenehm ist, kann es genauso schnell wieder in die andere Richtung gehen. Denn auch das darf man nicht vergessen: Vor vier Jahren war Deutschland noch Weltmeister, hat den Weltfußball für viele Jahre maßgeblich mitbestimmt.