Sie werden das Gefühl kennen: Es gibt Stimmen, die unweigerlich Gefühle auslösen, an Situationen erinnern. Auf einmal flackert ein Bildschirm vor dem geistigen Auge, 22 Leute jagen einem Ball hinterher. Dem deutschen Teamspieler Leon Goretzka muss es einst ähnlich ergangen sein, als Bela Rethy ihm nach einem Spiel interviewt hat. Noch während er nach den Erkenntnissen für das nächste Spiel befragt wird, beginnt der Fußballer zu schmunzeln und sagt: "Sorry, noch mal? Ich war ehrlich gesagt abgelenkt von Ihrer Stimme, weil ich die von den Länderspielen als kleiner Junge kenne."
Nicht nur für Goretzka, sondern für zahlreiche Fußballfans aus dem deutschsprachigen Raum ist Bela Rethy die Stimme des Fußballs. 28 Jahre lang begleitete er sie bei Welt- und Europameisterschaften - bis heute. An jenem Tag, an dem er seinen 66. Geburtstag feiert, kommentiert er mit dem WM-Halbfinale zwischen Marokko und Frankreich sein letztes Spiel für das ZDF, bevor er in den Ruhestand tritt.
Rethy wurde 1956 in Wien geboren, kurz nach seiner Geburt sind seine ungarischen Eltern mit ihm nach Sao Paulo ausgewandert, 1967 kehrten sie zurück nach Deutschland. Das erste große Endspiel durfte er bei der EM 1996 moderieren. Nicht nur aufgrund des deutschen Sieges über Tschechien war sein Einstand ein denkwürdiger: Rethy schrieb seine Notizen erstmals auf einem Laptop nieder, aufgrund eines Defekts war aber plötzlich die viertägige Recherchearbeit zunichtegemacht. So wurde improvisiert - und das EM-Finale mithilfe einer Pizzaschachtel voller Notizen kommentiert. "Das war ein Schlüsselerlebnis, denn dann weiß man: Dir kann im Leben nichts mehr passieren", sagt Rethy mit einem Schmunzeln.
Prägend waren aufgrund seiner Kindheit in Brasilien auch das legendäre 7:1 Deutschlands im WM-Halbfinale 2014 gegen die Brasilianer. Oder die tragischen Minuten nach dem Kollaps von Christian Eriksen bei der EM 2021. Und das EM-Halbfinale 2008 zwischen Deutschland und der Türkei (3:2): Aufgrund eines Bildausfalls musste Rethy lange im Stil eines Radiomoderators kommentieren. "Ich erinnere mich vor allem noch an den Morgen danach. Ich dachte, das war einfach eine Panne und die haben wir irgendwie gelöst. Aber es ist ein richtiger Hype um diese Geschichte entstanden. Das war schon mit das Kurioseste, was ich in meiner Laufbahn erlebt habe", sagt Rethy.
Das Spiel war auch beispielhaft für die Kritik, mit der sich sein Berufsstand konfrontiert sieht. "Der Ausfall offenbarte, wie wenig Fernsehleute noch zu sagen haben", stand etwa auf "Spiegel online". Doch Bela Rethy ist in all den Jahren immer standhaft und vor allem sich treu geblieben. Nun aber freut er sich auf mehr Zeit - und auf keine Termine: "Es ist Freude und Wehmut gleichzeitig, das kann sehr gut nebeneinander existieren."