Es mag auf den ersten Blick überraschen: Unter den Einwanderern in Katar finden sich sehr viele frisch verheiratete Paare. Ein Jobangebot aus dem Emirat am Persischen Golf hat auf Beziehungen offenbar beschleunigende Wirkung. Warum? In dem muslimischen Land ist es nicht erlaubt, dass unverheiratete Männer und Frauen zusammenwohnen. Die Lösung des Problems ist oftmals ein Trauschein, zumal der weitere Vergünstigungen bringt: Unternehmen zahlen Mitarbeitern automatisch höhere „Benefits“, auf gut Österreichisch „Zulagen“, wenn man mit Ehefrau bzw. Ehemann nach Doha zieht.

Eine große Zahl von „Expats“ nimmt das Abenteuer Katar allerdings trotzdem als Single in Angriff. Den Beziehungsstatus dort dann zu ändern, klingt nach einem schwierigen Unterfangen – in einem Land, in dem man in der Öffentlichkeit keinerlei Zärtlichkeiten austauschen darf. Andererseits bietet ein Ort, an dem Menschen aus fast hundert verschiedenen Ländern mit teils gänzlich unterschiedlichen Kulturen zusammenkommen, eine aufregende Plattform, um interessante Leute kennen- und vielleicht sogar lieben zu lernen. Wobei: Katar gilt, aufgrund der meist männlichen Arbeitskräfte aus dem Ausland, als Land mit dem unausgeglichensten Geschlechterverhältnis weltweit – im Jahr 2016 kamen auf jede Frau 3,4 Männer.
Kennenlernen funktioniert dennoch: Zum einen funktionieren Dating-Apps wie „Tinder“ auch im Emirat; schnell verabredet man sich zwischendurch auf einen Caramel Macchiato im Starbucks um die Ecke oder trifft sich zum romantischen Spaziergang in „Msheireb Downtown“, einer futuristischen Fußgängerzone unweit des vor allem bei Touristen beliebten Marktes „Souq Waqif“.

Über spezielle soziale Netzwerke für Auswanderer wie „InterNations“ oder die Plattform „Meetup“ ist man als Neuankömmling schnell in die lokale Partyszene integriert, die sich vor allem in den Restaurants, Bars und Klubs der vielen internationalen Fünfsternehotels wie dem „Four Seasons“, „The St. Regis Doha“ oder „Marriott Marquis“ abspielt. Dort wird auch Alkohol serviert, wenn auch zu stolzen Preisen: Ein großes Bier kostet im Schnitt umgerechnet fast 14 Euro. Dafür bekommt man aber viel geboten: Regelmäßig werden internationale DJs wie Tiësto und David Guetta eingeflogen, die in den Klubs auflegen. Sänger à la Bryan Adams, Shaggy oder Jason Derulo sorgen in den künstlich begrünten Parks oder an den großzügigen Stränden, die an die Luxushotels angeschlossen sind, für ausgelassene Stimmung. Perfekte Bedingungen, um in entspannter Atmosphäre an der Bar das Gespräch zu suchen und Nummern auszutauschen.


Aus Dohas Ausgehszene nicht wegzudenken ist die Belegschaft von „Qatar Airways“. Zum Personal der Elite-Fluggesellschaft, die regelmäßig von Skytrax mit fünf Sternen ausgezeichnet wird, zählen Tausende alleinstehende Frauen in den Zwanzigern, die aus aller Welt für Jobs als Flugbegleiterinnen oder als Bodenpersonal rekrutiert wurden und werden. Sie beleben die Partyszene sichtlich, wenngleich sie dabei limitiert sind: Denn mit ihrem Job ist offiziell eine strikte „Ausgehsperre“ verbunden – wer sich nicht daran hält, riskiert, im nächsten Flieger nach Hause zu sitzen.

Die Frage: „Zu dir oder zu mir?“ erübrigt sich aber ohnehin. Männliche Besuche sind nach Einbruch der Dunkelheit beim Flugpersonal ohnehin nicht gestattet. Echte Zweisamkeit ist deshalb nur im Rahmen eines Wochenendtrips möglich. Datet man eine Flugbegleiterin, kommt man aber schnell auf die „Familien-Liste“ von „Qatar Airways“ – Wochenendflüge mit Angestelltenrabatt inklusive. Vorzugsweise führen diese Kurzausflüge in nicht-muslimische Länder wie Georgien oder Spanien, wo man kein Problem hat, als unverheiratetes Paar ein Hotelzimmer zu bekommen.

Gänzlich anders läuft „Dating“ unter Muslimen in Katar ab. Unverheiratete leben oft so lange bei ihren Eltern, bis sie einen Partner oder eine Partnerin gefunden haben, mit dem oder der sie den Bund fürs Leben schließen. Die Suche wird ihnen dabei oft von ihren Eltern „abgenommen“. Islamische Hochzeiten in Doha werden so oft zur Brautschau. Da Männer und Frauen getrennt voneinander feiern, trifft sich die Braut nur mit ihren Freundinnen und weiblichen Bekannten der Familie.
Nicht selten kommt es vor, dass eine Mutter, die einen Sohn im heiratsfähigen Alter hat, ein Foto von ihm zückt und bei einer der jungen Damen Werbung für ihren Sprössling macht. Bei Interesse findet die Kontaktaufnahme dann mittels WhatsApp statt – oder es kommt zu einem Treffen in Begleitung einer Anstandsperson.

Aufgrund der großen Vielfalt an Nationalitäten, die in Katar aufeinandertreffen, begegnet man in den Einkaufszentren, Museen oder Parks vielen gemischten Paaren. Für Kataris stellt das mitunter eine besondere Herausforderung dar. Möchte ein katarischer Mann eine Frau heiraten, die nicht denselben Pass besitzt, bedarf es einer speziellen Erlaubnis der Regierung. Dieser bürokratische Prozess kann lange dauern und, weil es keine Erfolgsgarantie gibt, zum vorzeitigen Beziehungsende führen. Wobei es selbst Nachkommen von muslimischen Immigranten, die schon in Doha auf die Welt gekommen sind, nicht unbedingt leichter haben.

Dating in Katar hat viele Facetten, ist aber für Menschen aus dem Westen aufgrund der Regeln und Gepflogenheiten fordernd: Schafft es die Freundin rechtzeitig vor Zapfenstreich in die „Qatar-Airways“-Unterkunft? Riskiert man es, im dunklen Saal des „Novo Cinema“ Händchen zu halten? Wird man beim Buchen eines Kurztrips nach „Banana Island“ gefragt, ob man verheiratet ist? Und doch: Ist es nicht manchmal das Verbotene, das den Reiz ausmacht?