Sie sind Schweizer, der Nationalität nach, aber wer den auf der albanischen Flagge zu sehenden Doppeladler vor der dann besonders breiten Brust symbolisiert, ist im Herzen Albaner geblieben. Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri haben am Freitag die Eidgenossen zu einem 2:1-Erfolg über Serbien geschossen, um mitten im Torjubel mit einer politischen Geste nachzulegen, die jede Menge Zünd- und Diskussionsstoff in sich birgt.

Die gekreuzten Arme müssen die Serben als Provokation auffassen, auch wenn beide Akteure dies nicht so sehen wollten. "Es war für die Leute, die mich immer unterstützen, für jene, die mich nie links liegen ließen in meiner Heimat, wo die Wurzeln meiner Eltern sind. Der Jubel war keine Message an den Gegner. Ganz ehrlich, die waren mir scheißegal. Das waren Emotionen pur", erklärte der 25-jährige Xhaka. Shaqiri bezog sich ebenfalls auf seine Gefühlslage, wollte nachher aber "nicht darüber reden. Im Fußball sind immer Emotionen."

Verbotene politische Gesten

Einen Gefallen haben die beiden dem Team und sich selbst allerdings damit nicht getan, denn sie müssen mit Strafen rechnen. Die FIFA verbietet politische Gesten, und es ist noch gar nicht so lange her, da haben die Spieler der Schweizer "Nati" versichert, künftig auf den Doppeladler zu verzichten. "Im Klub kann jeder jubeln, wie er will. Aber hier sind wir in der Nationalmannschaft. Hier kommt’s niemals vor, dass einer so jubelt", wurde Shaqiri vom Schweizer Boulevard-Blatt "Blick" damals zitiert. Nun wurde dieses Gelöbnis gleich doppelt gebrochen. Mit Xhaka, Shaqiri sowie Blerim Dzemaili und Valon Behrami standen gegen die Serben gleich vier Schweizer Spieler albanischer Herkunft auf dem Platz. 

Die FIFA hat am späten Samstag Abend ein Verfahren gegen die beiden Spieler eingeleitet. Die Begründung im Wortlaut:

"Die Disziplinar-Kommission der Fifa hat ein Verfahren gegen die Schweizer Spieler Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri wegen dem Tor-Jubel während des Matchs Schweiz gegen Serbien eröffnet. In Zuge des selben Spiels ist auch ein Disziplinar-Verfahren gegen den serbischen Fussballverband eröffnet worden. Dies wegen Fan-Störungen und dem Zeigen von politischen und beleidigenden Messages von serbischen Fans. Weiter ist eine Voruntersuchung gegen den serbischen Nationaltrainer Mladen Krstajic eröffnet worden wegen angeblichen Äußerungen nach dem Match."

Die neue Affäre erinnert stark an den Eklat um die deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die sich gemeinsam mit dem autoritären türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ablichten ließen. Mehrere prominente Ex-Fußballer haben mittlerweile gefordert, die beiden "Abtrünnigen" aus dem Kader zu werfen. Freilich ist die Geschichte der Kosovo-Albaner völlig anders verlaufen, denn die Familien der nunmehrigen Schweizer Spieler sind in den 90er-Jahren aus dem damaligen Kriegsgebiet am Balkan geflohen. Die Gräben zwischen Serben und Albanern sind noch lange nicht zugeschüttet, und Serbien erkennt den Kosovo nicht an.

"Wir brauchen das nicht"

Auf sportlicher Ebene stehen die Schweizer bei der WM mit einem Sieg und einem Remis blendend da, aber Teamchef Vladimir Petkovic muss nun die Aktionen seiner Spieler kommentieren. "Man soll den Sport und die Politik nicht vermischen. Der ganze Verband, das ganze Land vertreten schon seit Jahren die Meinung, dass wir das nicht brauchen."

Die Debatte um die Multikulturalität der "Nati" wird neu entfacht.
Die Serben sind heftig empört, und dies nicht nur wegen der Doppeladler-Geste. Auch Schiedsrichter Felix Brych geriet wegen einer krassen Fehlentscheidung ins Visier, denn der Deutsche hatte die doppelte Umklammerung gegen Mitrovic nicht als Elferfoul geahndet und habe auch den Video-Assistenten verweigert. Weit übers Ziel hinaus schoss jedoch Teamchef Mladen Krstajic, der erklärte, man solle Brych nach Den Haag schicken. Das dortige UN-Kriegsverbrechertribunal hatte in den letzten Jahren zahlreiche Serben verurteilt.