Der Ort hat 7.000 Einwohner, das Stadion fasst knapp 3.000 Plätze, das Budget ist überschaubar - und dennoch lacht der SV Grödig seit dieser Woche von der Tabellenspitze der Ersten Liga und ist auf dem besten Weg in die Bundesliga. "Der nächste Dorfklub!", sagen viele. "Sie werden die Rechnung präsentiert bekommen", sagt Dominique Taboga. Der langjährige KSV-Kicker ist seit Sommer Stammkraft im Salzburger Überraschungsteam. Vor dem heutigen Duell gegen seine Ex-Kollegen aus Kapfenberg (ab 18:30 Uhr im kleine.at-Live-Ticker) sagt der 30-jährige Verteidiger im Kleine Zeitung-Interview, warum der Grödiger Erfolgslauf für ihn keine Überrschung ist und was in Kapfenberg schief gelaufen ist.

Wenn ein Außenseiter von der Tabellenspitze lacht, hört man gerne Phrasen wie "Wir schauen von Spiel zu Spiel". Schaut man auch in Grödig von Spiel zu Spiel oder glaubt ihr an den Titel?
DOMINIQUE TABOGA: Elf Runden vor Schluss können wir als Tabellenführer nicht sagen, wir sind zufrieden, wenn wir am Ende Zweiter werden. Wir wollten ursprünglich unter die Top drei. Unser neues Ziel ist der Meistertitel.

Das ist eine klare Ansage. Im Winter wart ihr neun Punkte zurück und auf Platz drei. Jetzt seid ihr drei Punkte vorne. Habt ihr jemals daran geglaubt, Herbstmeister Austria Lustenau noch abfangen zu können?
TABOGA: Wir haben im Winter gewusst, dass Lustenau einen sensationellen Herbst hatte und sie das im Frühjahr nicht wiederholen werden können. Dass wir so schnell einen Erfolgslauf bekommen und sie so schnell abfangen, hätte ich mir aber nicht gedacht. Der Zusammenhalt im Team ist einfach ein Wahnsinn und das Konzept von Trainer Adi Hütter geht voll auf.

Die Fans scheinen das noch nicht zu honorieren. Ein Zuschauerschnitt von 980 Zuschauern ist nicht gerade berauschend und die Untersberg-Arena fasst auch nur knapp 3.000 Zuschauer. Haben Sie die Hoffnung, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird?
TABOGA: Von 800 Zuschauern auf 3.000 zu kommen, das dauert einfach. Aber unser Obmann hat große Visionen und vielversprechende Infrastrukturpläne. Ich hoffe, dass er uns einen schönen Tempel (Anm. d. Red.: Stadion) hinstellt. Dann werden auch mehr Fans kommen.

Die Zuschauerzahlen in der Bundesliga sind rückläufig. Die Angst vor dem nächsten "Dorfklub" in der obersten Liga wächst. Ist das ein zusätzlicher Ansporn für euch?
TABOGA: Die ganze Liga belächelt uns – die Bundesliga sowieso. Aber sie sollen ruhig lachen. Sie werden alle die Rechnung präsentiert bekommen.

Sie waren lange beim KSV, sind seit Sommer in Grödig. Man könnte meinen, Sie suchen sich bewusst Vereine aus, die gerne belächelt werden?
TABOGA: (lacht) Ja, das kann sein. Aber ich bin ein Mensch, der keine einfachen Wege geht. Viele haben nach meinem Wechsel gesagt: "Jetzt ist deine Karriere vorbei!" Das ist ein zusätzlicher Ansporn für mich. Ich weiß, dass ich kein Filigrantechniker bin, auf den alle warten. Ich habe mir in meiner Karriere alles hart erkämpft. Und das passt auch gut zu einem Klub wie Grödig.

Heute kommt es zum direkten Aufeinandertreffen mit dem KSV – das Duell der besten Frühjahrsmannschaften. Wird das schon ein richtungsweisendes Spiel in Sachen Titelkampf?
TABOGA: Es wird auf jeden Fall ein sehr, sehr hartes Spiel. Wir haben in dieser Saison schon zwei Mal gegen den KSV verloren. Es ist also noch eine Rechnung offen.

Tabellenführung - Last oder Befreiung? Was ist Ihr Gefühl?
TABOGA: Es wird sich zeigen, wie wir damit umgehen, dass wir jetzt Tabellenführer sind. In unserer jetzigen Lage muss es aber klarerweise unser Anspruch sein, jedes Spiel zu gewinnen.

Haben Sie bei Ihrer Vertragsunterzeichnung in Grödig jemals daran gedacht, dass der Klub um den Aufstieg spielen wird?
TABOGA: Das war mir damals überhaupt nicht bewusst. Ich bin wirklich ein großes Risiko eingegangen. Damals gab es noch keinen Trainer und keine neuen Spieler, aber die Visionen des Obmanns haben mich beeindruckt. Dass sich der Erfolg so schnell einstellt und wir jetzt Erster sind, damit hat keiner gerechnet.

Ihr heutiger Gegner KSV hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Zuerst der Abstieg aus der Bundesliga, im Herbst der Absturz in der Ersten Liga - Trainerwechsel inklusive. Was ist bei Ihrem Ex-Klub schief gelaufen?
TABOGA: Damit will ich mich nicht mehr beschäftigen. Der KSV ist für mich abgehakt. Ich bin nicht im Guten gegangen.

Wieso?
TABOGA: Die Klubspitze hat einiges nicht eingehalten, was sie versprochen hat. Mir wurde damals im Frühjahr mitgeteilt, dass sie mich halten wollen. Zu Vertragsverhandlungen ist es dann aber nie gekommen, es hat niemand mehr mit mir gesprochen. Deshalb hat es auch Gespräche mit anderen Klubs gegeben, da ich wegen meiner Familie rechtzeitig Sicherheit wollte. Im Nachhinein wurde mir das dann vorgeworfen, Dinge wurden falsch dargestellt.

Welche Fehler wurden sportlich gemacht?
TABOGA: Die Philosophie von Thomas von Heesen war sicher sehr gut, aber für den Abstiegskampf in der Bundesliga und dann in der Ersten Liga falsch. Nur Fußball zu spielen, funktioniert in dieser Liga nicht. Ich denke auch, dass ein österreichischer Trainer besser gewesen wäre, da von Heesen die Erste Liga überhaupt nicht kannte. Aber sie haben die Rechnung präsentiert bekommen.

Das heißt, Sie haben den Absturz des KSV in der Ersten Liga befürchtet?
TABOGA: Ich war mir im Sommer schon sicher, dass sie sicher nicht gleich wieder aufsteigen werden, obwohl sie den stärksten Kader haben. Aber dass es im Herbst so schlecht läuft, hätte ich mir nicht gedacht.

Wenn Sie heute den Rasen betreten: Spüren Sie noch so etwas wie eine Extraportion Motivation, wenn es gegen Ihren Ex-Klub geht?
TABOGA: Ex-Klub hin oder her – ich brauche keine zusätzliche Motivation. Der Titel ist Motivation genug und wäre auch ein schönes Zeichen in Richtung Kapfenberg, dass damals die Falschen weggeschickt worden sind.