Herr Kovac, sind Sie bei der Gruppenauslosung in Ohnmacht gefallen, weil man ausgerechnet gegen den fünfmaligen Weltmeister antreten muss?

NIKO KOVAC: Man muss das anders sehen. Bei uns wird das als große Ehre betrachtet. Es gibt doch für einen Fußballer kaum etwas Schöneres, als in einem Stadion, das nur so kochen wird, gegen den WM-Gastgeber spielen zu dürfen. Das Eröffnungsspiel ist etwas ganz Besonderes. Millionen, nein, Milliarden werden vor den Fernsehern sitzen und zuschauen. Vielleicht nicht gerade unseretwegen, aber Kroatien wird auch im Mittelpunkt stehen. Das ist eine große Chance.

Ist es auch aus sportlicher Sicht die große Chance?

KOVAC: Ja, sicher. Es ist ja nicht so, dass wir vor Brasilien Angst hätten. Respekt natürlich, das ist logisch. Aber wir haben da eher weniger zu verlieren. Der ganze Druck lastet auf den Brasilianern, die Leute werden einen Sieg verlangen. Sie müssen agieren, sie werden Tore schießen müssen. Und wir werden eben versuchen, unsere Chancen zu nützen. Und ich bin überzeugt davon, dass wir auch gegen Brasilien unsere Möglichkeiten vorfinden werden. Für uns Kroaten wird das ein Fest, wir sind schon ein bisschen stolz, dass wir das alles erreicht haben.

Welche Rolle kann Kroatien bei dieser WM-Endrunde denn überhaupt spielen? Ist Ihre Mannschaft vielleicht so stark wie 1998?

KOVAC: Ah, das war eine ganz andere Mannschaft. Wir durften an der Qualifikation für 1994 in den USA nicht teilnehmen, in Frankreich aber haben wir gezeigt, welch großartige Spieler wir haben. Wir haben Deutschland geschlagen, waren im Semifinale gegen die Franzosen. Auch so ein Gastgeber. Aber Frankreich ist damals Champion geworden, wir Dritter. Das war etwas Einmaliges. Wir wollen in Brasilien überraschen, zeigen, dass wir guten Fußball spielen. Aber die Konkurrenz ist groß. Schon in der Vorrunde. Auch Mexiko und Kamerun werden nicht leicht zu besiegen sein. Unser Ziel ist der Aufstieg.

Ist die Vorbereitung nach Wunsch gelaufen?

KOVAC: Bad Tatzmannsdorf war wie schon vor anderen großen Turnieren ideal. Und immer, wenn wir im Burgenland waren, haben wir ordentliche Leistungen gebracht. Wir haben uns deshalb entschieden, unser Trainingslager dort aufzuschlagen, weil man uns jeden Wunsch von den Lippen abliest. Und die Leute so freundlich sind.

Im Fußball kann alles recht schnell gehen. Sie waren als Spieler und Assistent bei Salzburg. Dann vor einem Jahr kurz bei der Austria im Gespräch - jetzt als Teamchef bei der WM dabei. Ein bisschen unheimlich?

KOVAC: Ich habe immer versucht, mich als Trainer weiterzuentwickeln und zu lernen. Das war schon als Spieler so. Der Verband hat dann die WM in Brasilien in Gefahr gesehen, hat Igor Stimac abgelöst. Mein Bruder und ich waren für die U21 zuständig - wir waren bereit. Und haben die Chance im Play-off (Anm.: gegen Island) genützt. Jetzt als Teamchef in Brasilien, das ist ein Traum.

Als Spieler haben Sie einmal gegen Brasilien gewonnen . . .

KOVAC: Aber, aber - das ist doch schon länger her. Und zählt nichts mehr. In Sao Paulo schaut es ganz anders aus.

Wie sehr schmerzt die Sperre von Mario Mandzukic im Eröffnungsspiel?

KOVAC: Jeder Ausfall tut weh. Aber wir haben das gewusst, wir konnten uns darauf vorbereiten. Wir haben Alternativen. Eine davon ist doch bei euch gut bekannt - Nikica Jelavic (Anm.: Ex-Rapidler). Aber wir brauchen jeden Mann, wenn wir bei der WM erfolgreich sein wollen.

Wie verläuft die Zusammenarbeit mit Bruder Robert? Zwei Brüder auf der Betreuerbank sind eine WM-Premiere.

KOVAC: Wir verstehen uns fast blind. Aber jeder sieht etwas anderes. Wir haben ja auch gemeinsam bei mehreren Klubs gespielt. Schon als wir jung waren bei Rapide Wedding oder Hertha Zehlendorf. Oder später bei Bayern München. Das war immer eine schöne Zeit. Und das wird hoffentlich so bleiben.