Ausgerechnet am Tag der Arbeit steigen Sie zum Geschäftsführer Sport beim SK Sturm auf. Wird es arbeitsintensiver als bisher?
ANDREAS SCHICKER: Ich hatte schon jetzt nicht wenig zu tun, aber ich denke schon, dass es etwas mehr zu tun gibt.
Ist die Rochade Andreas Schicker für Günter Kreissl nicht nur Kosmetik?
SCHICKER: Davon gehe ich nicht aus. Ich habe ein sehr vertrautes Verhältnis zu Günter und wir werden wie bisher im Team arbeiten. Aber die Letztentscheidung habe jetzt ich.
Kann Günter Kreissl überhaupt in der zweiten Reihe arbeiten?
SCHICKER: Ich denke schon, er war ja früher unter anderem auch zweiter Tormann.
Vom zweiten Tormann zum ersten Mann bei Sturm. Wie tickt Andreas Schicker?
SCHICKER: Ich bin auf einem Bauerhof aufgewachsen und habe durch meinen Onkel, der selbst Fußball gespielt hat, die Leidenschaft zu diesem Sport entdeckt. Ich war ein lebendiger, aktiver Bub, manche würden sagen, ein gesunder Spitzbub. Bei vielen Dingen dabei, aber immer auch ein bisserl brav.
Ein Unsinn hat Ihr Leben komplett geändert. Am 23. November 2014 explodierte ein Böller in Ihren Händen.
SCHICKER: Ja, ich habe eine Blödheit gemacht, die mich nun ein ganzes Leben begleitet. Da habe ich gesehen, dass sich von heute auf morgen alles ändern kann. Ich bin aufgewacht und ich konnte nichts mehr selber machen. Du bist abhängig von anderen Leuten. Sich helfen zu lassen, muss man auch wieder lernen. Die linke Hand war weg, die rechte war eingebunden.
Das sind prägende Momente.
SCHICKER: Das war ein Knackpunkt für mich und hat meinem Leben eine andere Richtung gegeben. Wenn du drei Wochen in Tobelbad auf Reha bist, siehst du Sachen anders. Als Fußballprofi lebst du von Woche zu Woche und wirst beurteilt. Das ist wichtig, aber es gibt auch wichtigere Dinge.
Was hat sich bei Ihnen verändert?
SCHICKER: Ich war immer ein ehrgeiziger Mensch und das war in der Reha auch wichtig. Aber ich bin in dieser Phase geduldiger geworden, entspannter.
In Ihrem neuen Job ist das sicher kein Nachteil.
SCHICKER: Sicherlich nicht, aber ich weiß nicht, wie ich reagiere, wenn es von allen Seiten reinregnet.
Das heißt, wenn der öffentliche Druck aufgrund möglicher Erfolglosigkeit bei Sturm steigt?
SCHICKER: Ich habe in den eineinhalb Jahren bei Sturm miterlebt, was los ist, wenn die Lawine losgeht. Das kann bei uns schnell gehen und es kann sehr heftig werden.
Hatten Sie nach Ihrem Böller-Unfall auch psychologische Betreuung?
SCHICKER: Kurz. Ich war positiv und offen, weil ich nur eine Hand verloren hatte und keinen Fuß. Der Betreuer wollte aber alles schlechterreden. Das habe ich schnell beendet.
So kurios es klingt: Aber hatte der Unfall auch Positives?
SCHICKER: Ich habe sehr schnell erkannt, wo die Schulterklopfer sind und wer die echten Freunde sind.
Sie reden immer über Ihren schlimmen Unfall. Was war der bisher schönste Moment in Ihrem Leben?
SCHICKER: Aus sportlicher Sicht der Cupsieg mit der Austria, der Aufstieg mit Ried und dass ich nach dem Unfall wieder im Profifußball gespielt habe. Das gibt mir immer noch Kraft.
Wo tanken Sie jetzt Kraft?
SCHICKER: Eine Grundfitness ist wichtig für den Job. Ich gehe gerne dorthin, wo es keinen Handyempfang gibt. In der Ruhe hole ich mir am besten die Energie, die ich brauche.
Beim Bergsteigen oder auf Ihrer Hütte in Oberaich, wie man hört?
SCHICKER: Dort, wo ich herumsteige, gibt es wirklich keinen Empfang. Und bei der Hütte habe ich elf Hühner. Da ist immer etwas los und trotzdem Ruhe.
Sind elf Hühner pflegeleichter als eine Fußballmannschaft?
SCHICKER: Wenn alle innerhalb des Zauns sind, dann gibt es mit den Hühnern kein Problem, aber wehe, ein Hendl kommt raus. Dann kann es intensiv werden. Eine gesunde Nähe zu den Hühnern ist gut und eine gesunde Nähe zu den Spielern ebenfalls.
Welcher war der höchste Berg, den Sie erklommen haben?
SCHICKER: Der Dachstein, der ist knapp 3000 Meter hoch.
Inwieweit ist die Aufgabe bei Sturm mit der Besteigung eines 8000ers vergleichbar?
SCHICKER: Der Dachstein war schon eine Herausforderung. Wir werden aber auch den 8000er angehen, mit Respekt, aber ohne Angst. Ich freue mich auf den Job.
Warum landeten Sie als Steirer erst so spät bei Sturm?
SCHICKER: Sturm war ein Thema. Aber dann bin ich mit 14 Jahren in die Stronach-Akademie gekommen. Das war damals das Red Bull von heute.
Was würden Sie mit Ihrem heutigen Wissen als Fußballer anders machen?
SCHICKER: Ich bin mit 18 Jahren von Ried zur Austria zurückgegangen. Mit dem heutigen Wissen hätte ich noch ein Jahr in Ried bleiben sollen, dann wäre meine Karriere wohl erfolgreicher verlaufen. Ich bin bei der guten Mannschaft von der Austria nur wenig zum Spielen gekommen.
Sie haben einige Trainer erlebt. Welcher hat einen besonderen Eindruck bei Ihnen hinterlassen?
SCHICKER: Peter Stöger ist hier zu nennen. Ich habe ihn bei Wiener Neustadt gehabt und war dann bei ihm in Köln hospitieren. Und er hat bei Köln nichts anderes gemacht als in Wiener Neustadt. Er ist authentisch geblieben. Wie er die Leute führt, ist beeindruckend.
Werden und müssen Sie sich verändern?
SCHICKER: Ich hoffe nicht. Ich möchte derselbe bleiben, der ich jetzt bin.
Was ist im Umgang mit Spielern und Mitarbeitern wichtig?
SCHICKER: Man muss allen Leuten Vertrauen geben und alle müssen mit offenen Karten spielen. Das ist bei Vertragsgesprächen gleich wie im Büro.
Stichwort Verträge. Sie waren vor Ihrem Unfall Linkshänder. Mit welcher Hand unterzeichnen Sie nun?
SCHICKER: Rechts. Aber ich kann es auch links, man wird keinen Unterschied merken.
Was fehlt dem SK Sturm?
SCHICKER: Sportlich gesehen fehlt uns die Kontinuität. Wir sind keine Chaosmannschaft, aber in einigen Spielen hat uns das Herz gefehlt. Daran gilt es zu arbeiten.