Halb Wien hört das, wenn der Wiener Sportklub ein Tor schießt. Das behauptet Roland Spöttling. Er ist Stadionsprecher des Regionalliga-Klubs. „Bei einem Tor, da lasse ich brasilianischen Torjubel vom feinsten los.“ Ruft Roland den Torschützen durch die Lautsprecher, jubeln Sportklub-Fans mit. Im Stadion in Dornbach, dort kennt man ihn.
Roland Spöttling ist blind. In seinen ersten Lebensjahren, da hat er die Welt in all ihren prächtigen Farben gesehen. Vier Jahre jung war er, als er sein Augenlicht verlor. „Ich war eine Frühgeburt, im Brutkasten hat man mir zu viel Sauerstoff gepumpt“, sagt Roland, der morgen seinen 44. Geburtstag feiert. Am Anfang funktionierten seine Augen. Einmal besser, einmal schlechter. Erinnerungen hat er viele. An die Postalm zum Beispiel, wo der Salzburger oft mit den Großeltern wandern war. "Einmal bin ich sogar auf einer Kuh geritten", erzählt er und grinst. "Irgendwann haben meine Lampen aber gesagt: 'Leckt's mich am A...'"
Das Licht ging aus, die Liebe kam zurück
Dem Fußball war Roland immer stark verbunden. „Damals im Hof habe ich extrem gern mit dem Ball gespielt und anderen zugeschaut“, erzählt er. Als er erblindete, erlosch die Leidenschaft für einige Zeit. Im siebenten Lebensjahr zog er nach Wien, um eine Blindenschule besuchen zu können. Und in der Hauptstadt kehrte die Liebe zurück – dank der Radioübertragungen. Im Alter von acht Jahren „bin ich dann immer deppater drauf geworden“.
Seit damals liebt es Roland, auf den Fußballplatz zu gehen. Als er mit 20 Jahren das Spiel Helfort gegen Landstraßer AC besuchte, hat er sich über den Stadionsprecher von Helfort beschwert. „Der ist über einen Maier gestolpert, hat sich ständig verhaspelt. Irgendwann ist der Helfort-Funktionär gekommen und meinte, ich soll es doch selbst versuchen.“ Roland gehorchte. Aufstellungen, Auswechslungen, Tore – seine Stimme informierte die Stadionbesucher. Der Funktionär ging 1998 zum Wiener Sportklub, Roland ging mit – und ist seit damals Stadionsprecher des schwarz-weißen Klubs, dessen Geschichte bis in das Jahr 1883 zurückgeht. „Bis auf unseren Toiletten-Maxl und die Kassiererin sind alle nach mir gekommen.“
Blinder Stadionsprecher – keine einfache Aufgabe. Roland aber meistert sie mit unvergleichbarer Hingabe. In seiner Kabine sitzt Assistent Gerhard Bauernfeind. Dieser leiht dem Sportklub die Augen, Roland ihm die Stimme. Und die Stimme des Sportklubs hat ein feines Gespür für das schönste Spiel des Lebens. „Es kam schon vor, dass ich ein Foul angesagt habe, bevor es gepfiffen wurde“, erzählt er. Etwas Stolz schwingt mit.
Roland liest das Spiel mit den Ohren, hört, wie und wo gegen den Ball getreten wird, nimmt das Raunen und Staunen der Fans und die Schiedsrichterpfiffe wahr. Alle Puzzleteile ergeben ein großes Ganzes. Die Frage, wie all das möglich ist, hört Roland oft. „Ich trinke während dem Match ein Bier“, sagt er schmunzelnd, um dann ernst zu werden: „Ich weiß es nicht. Ich bin einfach glücklich, dass es funktioniert. So kann ich meinen Traum weiter leben.“
Grün war immer Rolands Lieblingsfarbe, schon als er noch sehen konnte. Für Rapid hat der leidenschaftliche Musiker Lieder geschrieben, besuchte jahrelang jedes Training. „Jetzt geht’s los“ hat er 1996 vor einem Europacup-Spiel vor 40.000 Zuschauern im Happel-Oval zum Besten gegeben. In Michael Glawoggers Film „Frankreich wir kommen“ spielte Roland 1998 eine Hauptrolle – sich selbst. Und er stand mit Stevie Wonder auf der Bühne der Wiener Stadthalle, um mit ihm „I just called to say I love you“ zu singen.
Sein wohl ausergewöhnlichstes Hobby: die Fotografie. "Das tolle ist, die Leute haben keine Ansprüche an meine Bilder, weil ich ja nichts sehe", sagt er. Roland führt sogar einen Online-Fotoblog. Dort postet er hin und wieder eines seiner Bilder, und schreibt eine kleine Anekdote zur Entstehung dazu.
Wünsche und Ziele hat Roland noch einige. Ein Eigenheim möchte er einmal haben, „ein Platzerl zum Leben“, wo er seine mehr als 10.000 Schallplatten nicht mit ins Bett mitnehmen muss, weil sonst kein Platz dafür ist. „Und irgendwann möchte ich mit der Musik oder irgendetwas anderem Geld verdienen“, sagt er, „denn derzeit bin ich ja leider darauf angewiesen, vom Staat eine Unterstützung zu bekommen“. Seinen Traum, als Stadionsprecher in der Bundesliga zu arbeiten, hat er nicht abgehakt. „Hätte ich keine Ziele, müsste ich aufgeben. Mit 80 möcht’ ich dem Herrgott sagen können, dass ich mein Bestes gegeben habe.“
Sky besuchte Roland Spöttling: