"Commuovere“ lässt sich nicht wortwörtlich ins Deutsche übersetzen. Umschrieben könnte man behaupten, es ist einer dieser Ausdrücke, die die Italiener ausstoßen, wenn etwas ihr Herz berührt. So wie Gianluigi Buffon. Eigentlich herrschte im März Feierstimmung nach dem 2:1 in Tottenham und damit dem Aufstieg von Juventus Turin ins Champions-League-Viertelfinale. Da trat der Torhüter vor die Mannschaft - drei Tage zuvor war Florenz-Kapitän Davide Astori völlig überraschend an einem Herzstillstand gestorben. Sein Freund Buffon erzählte den Juve-Mitspielern, dass er für halb fünf Uhr früh einen Privatjet gebucht habe. Er werde in der Hotellobby warten, habe aber Verständnis, wenn wer ausschlafen will. Im Morgengrauen tauchte die gesamte Mannschaft auf, mitgeflogen sind aus Platzgründen nur wenige. In Florenz angekommen, weigerte sich Buffon, den Hintereingang in die Kirche zu nehmen, trotz großer Rivalität zu Fiorentina. „Alle sollen sehen, dass Juve da ist.“ Einmal mehr verneigte sich die Welt vor „Gigi“.

So war es auch, als Buffon die schmerzhafte Niederlage im Champions-League-Finale 2017 gegen Real Madrid zu verkraften hatte. Selbst mit Tränen in den Augen gratulierte der Torhüter mit den kurzen Ärmeln den Siegern herzlich und ehrlich lächelnd. Buffon gilt als ein „simpaticone“. Er strahlt Charisma, Charme, Natürlichkeit und Hilfsbereitschaft aus wie kaum ein anderer in Fußballgeschäft. Wie man ihn heute kennt. Doch die Wandlung vom Hitzkopf zum lebensklugen Philosophen aus Carrara, der Stadt, wo der berühmte weiße Marmor abgebaut wird, nahm Geduld in Anspruch. „Gigi“ kam fast immer davon.

Spitzbübische Wendemanöver 

Etwa mit dem gefälschten Maturazeugnis, mit dem er 1997 auf der Universität von Parma einen Studienplatz ergattern wollte. Ein paar Tausend Euro Strafe waren die Folge. Oder als er bei Parma mit der Rückennummer 88 aufgetreten ist - die Zahl gilt als rechtsextremes Symbol. „88 sind doch vier Eier. Alles andere wissen doch nur Nazis“, beteuerte er. Vor Gericht brachte ihn schließlich ein T-Shirt mit dem Aufdruck eines Faschistenspruchs. Belangt wurde er nicht: wegen „Unkenntnis der Geschichte“. Und so wurde er stets auch abseits des Platzes dem Ruf des „eterno ragazzo“ gerecht, des „ewigen Buben“.

Auch später, als er Millionen versenkte. Die Pleite seines Jugendklubs Carrarese Calcio konnte er nicht abwenden und die Beteiligung an einer Textilmarke soll an die 25 Millionen Euro verschlungen haben. Verluste, die Buffon, der nie Raubritterbeträge bei Juventus kassiert hatte, sicherlich geschmerzt, aber nicht ruiniert haben. Heute gehören „Gigi“ Immobilien in Turin, Parma und Rivoli, im Piemont, am Ligurischen Meer und ein Weingut im Salento.

Ronaldo überschattet sogar Buffon

Warum ihn seine Fans trotz des Klubwechsels von Juventus zu Paris St. Germain weiterhin abgöttisch lieben? Die Verpflichtung der Torinesi von Cristiano Ronaldo überstrahlt momentan alles. Etwas, das an Diego Maradona bei Napoli erinnert. Und: „Gigi“ gilt sowieso als unantastbar. „Er hat damals als Welttorhüter dem Klub nicht den Rücken gekehrt“, weiß Hannes Kirchbaumer vom österreichischen Juventus-Fanklub „Bianconeri Vienna“ zu berichten. Er hat vielmehr als frischgebackener Weltmeister 2006/07 den Zwangsabstieg in die Serie B in Kauf genommen.

Es scheint, als würde an Gianluigi Buffon nur Edelmütiges haften bleiben. Und eine italienische Bezeichnung, die sich nur schwer übersetzen lässt: Grandezza.