Marco Rose war nach dem relativ raschen Abklingen des jähen Zorns um Relativierung bemüht. „Wir sind in einem Fußballspiel ausgeschieden. Es gibt größere Tragödien“, meinte der Trainer des FC Salzburg, angesprochen auf das Thema Gerechtigkeit. Und der Deutsche verwies auf die Zukunft. „Irgendwann“ werde man wissen, wozu dies alles gut gewesen sei. „Dies alles“ umfasste vor allem die Umstände des Ausscheidens im Halbfinale der Europa League gegen Olympique Marseille, die einmal mehr das Schiedsrichterteam in das Blickfeld der Öffentlichkeit rückten.

Zum dritten Mal in Folge hatten Fehlentscheidungen der Unparteiischen binnen drei Tagen auf höchster europäischer Ebene gravierende Auswirkungen auf einen Spielausgang. Den Bayern wurde im Semifinale der Champions League gegen Real beim Stand von 1:1 ein Elfer vorenthalten.

Am Tag darauf widerfuhr Roma gegen Liverpool das gleiche Schicksal, gleich in doppelter Ausfertigung. Und nun erwischte es die Salzburger, die ein entscheidendes Tor kassierten, nachdem Eckball statt Abstoß gegeben worden war. Der „zusätzliche Schiedsrichter-Assistent“, im Volksmund „Torrichter“ genannt, hätte die Aktion aufgrund seines Blickwinkels – er hatte freie Sicht – richtig deuten können, ja müssen. Denn dieser Fall ist einer von nur drei Punkten, die im Pflichtenheft für ihre Spezies dezidiert festgehalten sind.

Rudi Garcia, der Trainer von Marseille, sprach von einem verdienten Aufstieg seiner Mannschaft, nahm aber ebenfalls Stellung zu den Fehlpfiffen. „Es müsste den Videobeweis geben“, sagte der Franzose, der darauf verwies, dass Marseille nach dem Handspiel von Duje Caleta-Car einen Strafstoß erhalten hätte müssen. In der Tat.

Rose ist der festen Überzeugung, dass sich auch sein Team den Finaleinzug verdient hätte. In diesem Drama habe „Marseille den glücklicheren Part“ gespielt. Gleichzeitig räumte der Salzburg-Trainer der menschlichen Komponente im Bereich des Spielleiter-Wesens großen Raum ein. Ein deutscher Beobachter der Referees hatte Rose darauf hingewiesen, dass sich das russische Schiedsrichterteam niedergeschlagen in die Kabine zurückgezogen hatte. „Sie waren ziemlich fertig“, so Rose. „Das zeigt für mich menschliche Größe.“

Die Technik kann da helfen, muss aber nicht. Laut dem österreichischen Schiedsrichter-Chef Robert Sedlacek ist davon auszugehen, dass der Video-Beweis für die letztlich spielentscheidende Szene wohl eher nicht herangezogen worden wäre. Die Frage, ob ein Eckball oder ein Abstoß zu geben ist, sei nicht gravierend genug, obwohl die Folgen schwerwiegend waren. Irgendwo müsse eine Grenze gezogen werden. Dass der Torrichter dies nicht gesehen habe, sei nachvollziehbar. „Es gibt Fehlwahrnehmungen“, so Sedlacek.

Bei der WM in Russland wird der Video-Beweis eingesetzt. Die Erfahrungen aus diesem Turnier werden bei der Vorbereitung für UEFA-Bewerbe und auch für die heimische Bundesliga zum Tragen kommen. „Die österreichischen Schiedsrichter stehen dem Videobeweis grundsätzlich offen gegenüber“, sagt Sedlacek, der davon ausgeht, dass sowohl bei den europäischen Bewerben als auch hierzulande 2019/20 mit einer Einführung zu rechnen ist – frühestens, aber wohl auch nicht viel später. Den Salzburgern hilft das jetzt nicht mehr.