Gratulation zum Aufstieg mit Bielefeld! Deutsche-Bundesliga-Spieler Manuel Prietl, wie hört sich das an?
MANUEL PRIETL: Damit ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Ich habe es noch nicht realisieren können. Das wird erst nach der Saison beim Heimaturlaub im gewohnten Umfeld mit der Familie in der Steiermark möglich sein.
Dass Sie jetzt der berühmteste Pistorfer sind, ist Ihnen klar?
(Lacht.) Ja, das ist gut möglich.
Inwiefern denken Sie an Ihre Anfänge zurück?
Genau mein außergewöhnlicher Weg zeigt, dass es realistisch ist, aus einem Dorf in die deutsche Bundesliga zu kommen. Ich bin in den Akademien von Sturm und GAK abgelehnt worden, habe mich danach von der Landesliga bis jetzt in die deutsche Bundesliga Schritt für Schritt hochgearbeitet. Genau das hat mich stärker gemacht und zu dem, was ich heute bin. Diese „Jetzt erst recht“-Mentalität beschreibt mich sehr gut.
Anstatt der Akademie haben Sie mit 16 in der Landesliga debütiert. Wie hilfreich war das?
Der damalige Gleinstätten-Trainer Stefan Dörner hat mir das Vertrauen geschenkt. Das Tempo in der Landesliga war sehr hoch und die Zweikämpfe gegen Erwachsene haben mir mehr geholfen, als wenn ich in der Akademie gewesen wäre. Jetzt weiß ich, dass meine technisch-taktische Ausbildung in Gleinstätten genauso gut war wie jene von Teamkollegen aus Wolfsburg oder Leipzig.
Welchen Anteil hat Ihr aktueller Trainer Uwe Neuhaus an Ihrer Entwicklung?
Ich sehe viele Parallelen zu Stefan Dörner. Ich mag es, dass beide Trainer nicht zu viel loben. Dann bist du gewillt, an deine Leistungsgrenze zu gehen. Uwe Neuhaus hat eine extrem geile Spielphilosophie. Bei ihm habe ich noch einmal sehr viel dazugelernt. Das imponiert mir.
Aktuell spielen 29 Österreicher in der deutschen Bundesliga. Wie sehen Sie aufgrund der Konkurrenz die Chancen auf das Nationalteam?
Ich bin ein Typ, der im Moment lebt, aber auch träumt. Wenn mir in der Bundesliga alles aufgeht, warum soll dann nichts draus werden? Wenn der Teamchef anruft, werde ich nicht Nein sagen.
Sie haben bei der Arminia noch einen Vertrag bis 2021. Werden Sie diesen sicher erfüllen?
Ich habe in den vier Jahren hier alles mitgemacht und kann mich voll mit diesem Klub identifizieren. Wir sind beinahe abgestiegen und waren kurz vor der Insolvenz. Deshalb bleibe ich jetzt beim Höhepunkt dem Verein auch sicher treu.
Nur eine große Meisterfeier mit den Fans wird aus Corona-Sicherheitsgründen ausbleiben. Was halten Sie davon, diese im Sommer 2021 nach dem Klassenerhalt in der Bundesliga nachzuholen?
Es wäre sensationell, wenn wir das zusammenlegen könnten und wir mit den Fans, die uns jahrelang auch durch schwierigste Zeiten getragen haben, feiern können. Das wäre hoch emotional.
Sie sprechen perfektes Hochdeutsch.
(Lacht.) Daheim reden meine Frau, die aus dem Burgenland kommt, und ich nur Dialekt. Aber wir haben es perfektioniert, auf Knopfdruck umzuschalten. Sonst versteht uns hier im nördlichen Teil von Deutschland keiner. (Lacht.)
Was bedeutet Ihnen Bielefeld?
Ich habe die Stadt in den vier Jahren lieben gelernt. Hier lässt es sich leben, es ist eine Familienstadt mit vielen Parks. Außerdem ist unsere Tochter hier geboren. Deshalb werde ich immer mit Bielefeld verbunden bleiben.
Sie legen pro Spiel knapp zwölf Kilometer zurück. Wie wird man zu einer Laufmaschine?
Das kommt nicht zufällig zustande. Ich schaue drauf, fit zu sein, mache viel Extratraining und ernähre mich sehr bewusst. Dadurch bin ich nicht mehr so verletzungsanfällig.
Sie werden von Ihren Weggefährten als überaus freundlicher Mensch und auch perfekter Schwiegersohn gesehen. Auf dem Platz haben Sie aber mit zehn Gelben Karten die drittmeisten der 2. Bundesliga erhalten. Haben Sie eine böse Seite?
Viele erkennen mich im Spiel gar nicht wieder (lacht). Sobald ich auf dem Platz stehe, bin ich aufgezuckert und aggressiv. Da vergesse ich die Außenwelt und bin fokussiert. Diese Einstellung hat mich sehr weit gebracht.
Sie gelten auch als umgänglicher Typ, der für alle ein offenes Ohr hat.
Ich mache mir von jedem Menschen selbst ein Bild. Wenn die Mehrheit der Menschen das so machen würde, hätten wir auch nicht so viele Vorurteile und auch Rassismus. Dass wir 2020 noch immer darüber reden, ist eine Katastrophe. Es ist so traurig, dass es so etwas noch gibt. Mensch ist Mensch, egal, welche Hautfarbe er hat. Wichtig wäre es, dass wir alle zusammenhalten.
Welchen Beruf hätten Sie eigentlich ausgeübt, wenn Sie nicht Profifußballer geworden wären?
Lehrer für Sport und Mathematik. Ich habe mich vor meinem Wechsel zu Hartberg in die 2. Liga schon an der Pädagogischen Hochschule in Graz angemeldet. Mittlerweile würde ich es auch sehr interessant finden, Trainer zu werden.
Apropos Mathematik. 2010 wurden Sie Landesliga-Meister mit Gleinstätten, 2015 Zweitliga-Meister mit Mattersburg und 2020 Zweitliga-Meister mit Bielefeld. Sie sollten also mindestens bis 2025 Fußball spielen.
(Lacht.) Das habe ich noch gar nicht gehört, aber klingt gut. Vielleicht bin ich mit 34 Jahren schon wieder in der Heimat, wer weiß?
Sie erleben gerade den sportlichen Höhepunkt. Welcher ist das in Ihrem Privatleben gewesen?
Sicher die Hochzeit mit meiner Frau und die Geburt unserer zweijährigen Tochter.
Was waren Ihre Tiefpunkte?
Sportlich der Abstieg mit Mattersburg aus der Bundesliga und eine Verletzung in dieser Zeit, die fast mein Karriereende bedeutet hat. Privat war es ein schwerer Verkehrsunfall meines Bruders. Damals war er Beifahrer, ist seither querschnittgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Den meisten Menschen geht es viel zu gut. Dabei schätzen sie nicht einmal, ganz normal gehen, laufen, essen und trinken zu können. Das hat mich mein ganzes Leben geprägt und zu dem gemacht, der ich heute bin.