Parliamo d’Italia e del suo calcio, reden wir über Italien und dessen Fußball, der sich neuerdings ausschließlich über Juventus definiert. Reden wir vor dem heutigen Champions-League-Finale zwischen den Turinern und Real Madrid über eine Mannschaft, die Catenaccio zwar lesen, aber nicht spielen kann; über ein Team, das ob seiner Spielauffassung keinen Gegner zu fürchten hat, schon gar nicht den Titelverteidiger.
Nur drei Tore haben die Turiner in der diesjährigen Champions League kassiert. Super, freilich. Aber das auf ein bedingungsloses Mauern zu reduzieren, greift zu kurz. Denn Juve praktiziert den modernsten Fußball Europas, der Welt.
Mit Pjanic wurde ein Zehner von Roma verpflichtet – nach sechs Monaten Stehgeigertum ohne Land attackiert und presst der Bosnier wie der angestammte Sechser, Khedira. Die Offensivkräfte Higuain und Dybala arbeiten nach hinten wie Waglhunde. Keine Spur von Star. Trainer Massimiliano Allegri stellte Mittelstürmer Mandzukic, der auch bei Bayern 0,0 Prozent Defensivarbeit geleistet hatte, links ins Mittelfeld. Der Kroate geht in jeden Zweikampf und bleibt trotzdem torgefährlich. Und hinten stehen die erfahrenen Herren Chiellini, Bonucci und Barzagli, die nicht zulassen, dass Tormann-Legende Buffon pro Spiel mehr als zwei, drei Bälle abzuwehren hat, was er dann auch meist tut.
Vor allem das schnelle Umschalten macht den italienischen Meister und Cupsieger so gefährlich. Alex Sandro absolvierte eine überragende Saison, Dani Alves wurde erfolgreich vom Verteidiger zum rechten Mittelfeldspieler umfunktioniert. Und wenn die Kugel erst ruht! Pjanic träfe mit dem rechten Fuß, Dybala mit dem linken aus 20, 25 Metern eine Briefmarke. Hängt diese im Tor, ist sie gestempelt.
Natürlich ist Juventus nicht vor Gegentreffern gefeit, vor allem bei Eckbällen. Real-Verteidiger Ramos ist der wohl beste Kopfballer der Welt, Bale bestreitet in Cardiff eine Art Heimspiel, Ronaldo ist auch nicht irgendwer, sondern der Rekordtorschütze in der Champions League. Zusammengefasst: Top-Verteidigung gegen Top-Angriff greift im heutigen finalen Duell zu kurz. Definitiv.
Buffons Kreis soll sich schließen
„Wir werden schonungslos spielen“, sagt Buffon, der Weltmeister, dem der Titel in der Königsklasse ach noch so sehr fehlt. Zwei Mal scheiterte der italienische Nationalheld im Finale. „Ich bin bis hier gekommen, damit sich der Kreis schließt“, sagte der rüstige Mann, der sich mit 39 Jahren und 126 Tagen zum ältesten Champions-League-Gewinner überhaupt machen würde.
Real wiederum darf auf die Statistik vertrauen. Und nicht, weil sie trügerisch ist: Die Spanier, gecoacht von Welt- und Europameister Zinedine Zidane, stehen zum sechsten Mal im Finale der Königsklasse und haben stets gewonnen. Nur: Niemandem zuvor war die Titelverteidigung geglückt. Juve wiederum hat seit dem einzigen Titel 1996 alle vier Finali verloren. „Ich denke, dass wir besser sind als Juve. Aber das müssen wir erst beweisen“, sagt Europameister Ronaldo.
Juve-Coach Allegri will anderes beweisen. Vor zwei Jahren, gegen Barcelona beim 1:3 in Berlin noch chancenlos gewesen, wähnt er sich diesmal auf Oberwasser schwimmend. „Dieses Mal werden wir zuschlagen. Es werden extrem lange und faszinierende 90 oder 120 Minuten.“
Ob Bale beim Heimspiel aufseiten der Madrilenen von Beginn an mitwirken wird können, ist offen. Verletzt war er, der Waliser. Fix scheint andererseits, dass Allegri mit einer Viererkette anrücken lässt. Irgendwie fast wurscht. Wenn Juve 70:30 Ballbesitz hat, macht das Team genauso die Tore wie bei 30:70. Der begnadete Trainer hat Europas Fußball revolutioniert.
So oder so.
Harald Schume